piwik no script img

Leser gegen stolze Deutsche„Eigenlob stinkt“

betr.: „Volksfront aus CDU und Skins“, „Deutsche jetzt noch stolzer“, taz vom 20., 22. 3. 01, u. a.

Es ist gut, dass die Kontinuität der Fremdenfeindlichkeit noch einmal aufgezeigt worden ist.

Trotzdem können der Rassismus und die dumpfen Vorurteile nur gedeihen, wenn sie nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Es gibt ja sehr viele Ausländer und große Probleme im Zusammenleben: Nur, unglaublich viele sind hier geboren und wären in vielen anderen Ländern längst eingebürgert ! Die rot-grüne Regierung ist da halbherzig eingeknickt, als sie etwas hätte bewirken können! Ein Staatsbürgerrecht ohne Wenn und Aber wäre notwendig. Wer hier geboren ist, ist Deutscher. Wer hier bleiben will, soll Deutscher werden! Gleiche Rechte und gleiche Pflichten. [...]

MICHAEL ZACHCIAL, Bremen

Die Unionspolitiker können einfach der Versuchung nicht wiederstehen, aus einem diffusen, unbestimmten Angstgefühl gegenüber Ausländern heraus, das eindeutig auch in der politischen Mitte seine Heimat hat, politisches Kapital zu schlagen. Im Mäntelchen des Biedermannes und „anständigen Bürgers“ weden ständig Begriffe wie „Überfremdung“, Abschaffung des Art. 16 GG oder Asylmissbrauch in die Runde geworfen. Man betont dabei gleichzeitig wie selbstverständlich, dass man ja die „guten Ausländer“, die keinen Ärger machen, brav ihre Steuern zahlen, die Sozialversicherungssysteme sicherer machen oder als IT-Fachkräfte deutsche Firmen weiterbringen, selbstverständlich willkommen heißt. Der Ausländer als Werkzeug für die Deutschen, der, wenn er eigene Rechte einfordert, bitte zurück in sein „Heimatland“ gehen soll, auch wenn er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist.

[...] Die SPD versagt in dieser Frage aus Angst vor den eigenen Wählern, auch die SPD-Klientel sieht den Ausländer oft als Bedrohung, der die eigene Position in der Gesellschaft bedroht. Spätestens seit dem Asylkompromiss sitzt die SPD, ob sie will oder nicht, mit im Boot der Brandstifter. [...] ADRIAN GRILL, Mainz

[...] Leute, die meinen, bei jeder Gelegenheit verkünden zu müssen, sie seien stolz „ein Deutscher zu sein“, waren mir von jeher sehr suspekt. Dass Jürgen Trittin mit seiner Äußerung (mag sie auch politisch „nicht korrekt“ gewesen sein) doch ins Schwarze getroffen hat, zeigen die vehementen Reaktionen. [...] HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Die angeblich so sehr um die deutsche Kultur und Sprache Besorgten sollten sich mit eben dieser vertraut machen. Immanuel Kant zum Beispiel, deutscher philosophischer Klassiker, hat aus zutreffendem Sprachgefühl in eine Reihe gestellt: Eitelkeit, Hochmut, Stolz, Hoffart, Aufgeblasenheit (Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, Kap. IV). Typisch deutsch ist nach den Kant’schen (selbst schon klischeehaften) Zuschreibungen die Hoffart. Der Hoffärtige sei ein Stolzer, der zugleich eitel sei. Und bereits „das Betragen des Stolzen gegen andere ist gleichgültig und kaltsinnig“. Wer zum deutschen Stolz auffordert, entlarvt sich selbst. RUPERT RÖDER, Mainz

Endlich schreibt einer über diese Zusammenhänge. Wer zwischen verschiedenen Welten wandert, weiß, wie stark die meisten CDU-Milieus genau von diesem Denken bestimmt sind. W. GIESEKE

[...] So zutreffend und glänzend auch geschrieben, wo kämen wir im Ernst hin, wenn wir nicht doch einen Unterschied machen würden zwischen den Nazis und der rechten, bürgerlichen Mitte? Wenn es darauf ankommt, sozusagen die „Anständigen“ auch dort auf die Konsequenzen bestimmter politischen Werthaltungen oder Handlungsformen aufmerksam zu machen und ein lagerübergreifendes „Bündnis der Vernunft“ (klingt ja komisch, aber so ähnlich muss das aussehen oder lauten) zu Stande zu bringen. Das ist doch die Aufgabe der Besonnenen bei aller Deutlichmachung der unverändert bestehenden Unterschiede in der Grundhaltung. Und dies hat nichts zu tun mit der immer wieder zitierten „Gemeinsamkeit der Demokraten“.

HEINER DIETZ, Heidelberg

[...] Warum erklären immer wieder speziell Unionisten deutschtümelnd, wie stolz sie doch auf etwas sind, was sie nur per Geburt, aber nicht durch Verdienst geworden sind? Selbst wenn es etwas gäbe, auf das man aufgrund eigener Verdienste stolz sein könnte, dann sollte man es mit der Weisheit halten: „Eigenlob stinkt.“ [...] RÜDIGER BENNINGHAUS, Köln

Nun: Kevin Kostner, war auch ganz schön aufgeblasen bei Gottschalk. Stolz ist doch: mehr sein wollen als andere. Auf das Okay-Sein kann ich nicht stolz sein: Es ist okay. Also es ist ok, dass ich ein Deutscher bin. Macht mir ein paar Probleme, ist aber ok. Warum soll es da einen Stolz geben? Adler wusste schon: Stolz ist das umgedrehte Minderwertigkeitsgefühl. Das andere Gefühl ist: Solidarität: „Du gehörst dazu“ (Kurzformel des GG und jeder Republik in ihren Anfängen). Stolz braucht, wer sich klein fühlt und größer werden will als andere. Wer’s braucht ... KLAUS WACHOWSKI, Alzey

[...] Wenn Stolz ein probates Mittel gegen Klimakatastrophe, BSE und MKS, Hunger, Krieg und Gewalt wäre, wäre ich sofort und lebenslang ein rundum „Stolz-Deutsch-Mann“.

Das stolze „Deutsche Wesen“ hat schon einmal die Welt in Schutt und Asche gelegt. Deshalb müsste es heute heißen: Ich bin stolz ein demütiger Deutscher zu sein – der sich bei einem gelegentlichen Gang über den Friedhof und zu einem Blick zum Sternenhimmel seiner wirklichen Stellung im Universum bewusst wird. BERNHARD FRICKE, David gegen Goliath e.V., München

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen