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Eiertänze um Studi-Wohnungen

■ In Schlachtensee wird der Abriß von 242 billigen Studentenwohnungen vorbereitet / Alle „Offiziellen“ sind dagegen, doch keiner will was tun

Alle sind eigentlich dagegen. Trotzdem bereitet das Studentenwerk weiterhin den Abriß von 242 Wohnungen im Studentendorf Schlachtensee vor. Ende März oder Anfang April sollen die Bagger in die Wasgenstraße rollen. Die studentische Selbstverwaltung des Dorfes fordert jetzt eine „sofortige Aufschiebung des Abrisses“.

Öffentlich spricht sich seit Freitag auch FU-Präsident Heckelmann dafür aus, den Abriß bis Mitte der 90er Jahre aufzuschieben. Selbst Wissenschaftssenator Turner steht einem Erhalt, so sein Sprecher Vogt gestern, „aufgeschlossen“ gegenüber, und auch Bausenator Wittwer fände das „sehr positiv“.

Doch schon seit letzter Woche werden in dem Dorf Tatsachen geschaffen. Alle wiederverwertbaren Teile wie etwa Steckdosen werden aus den Wohnungen entfernt. Möbel stehen nur noch in jeder vierten der zum Abriß bestimmten Wohnungen. Insgesamt sollen im Studentendorf Schlachtensee 546 Wohnungen der Abrißbirne zum Opfer fallen. Nur knapp 400 Wohnungen werden neu gebaut. Die sind dann zwar größer, besser isoliert und im Unterhalt billiger, doch die ersten sind erst Ende 1990 wieder bezugsfertig. Die Miete wird fast doppelt so hoch sein, weil der Senat für den Unterhalt der neuen Wohnungen keine Zuschüsse mehr zahlt.

Zwar sind auch die Dorfbewohner selbst nicht ganz zufrieden mit den „fürchterlich engen“, neuneinhalb Quadratmeter kleinen Wohnungen, und auch die übrige Ausstattung der in den 50er Jahren gebauten Häuser ist schlecht, doch dafür sind die Wohnungen konkurrenzlos billig: 130 Mark warm, alle Nebenkosten eingeschlossen.

„Hinhaltetaktik“ sei Heckelmanns Appell für das Studentendorf, erklärte gestern ein Student vom Aufstands -Presserat an der FU. Er verwies auf den „umfassenden Katalog“ an studentischen Forderungen. Außerdem müsse zunächst Heckelmann zurücktreten. Der FU-Präsident selbst plant in Sachen Schlachtensee zur Zeit ebenfalls keine weiteren Schritte. Die Forderung, den Abriß aufzuschieben, sei ein „Appell“ gewesen, erklärte gestern Heckelmann -Referent Melchior. Das Studentenwerk könne im übrigen selbst entscheiden. Das weist Klaus Kittel vom Studentenwerk zurück. Eingreifen könne nur der Wissenschaftssenator. Turner müßte sich auch dafür einsetzen, den Senatszuschuß für das Dorf wieder zu erhöhen, erklärt Kittel. Sonst könnten die Häuser nicht erhalten werden. 1989 ist noch weniger eingeplant. Turner-Sprecher Vogt weiß davon jedoch nichts und reicht die Verantwortung an Heckelmann weiter: Dieser könne entscheiden - was er in Wirklichkeit nicht kann.

Hmt

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