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Archiv-Artikel

nebensachen aus washington Eichhörnchen sind auch nur Amis

Hunde und Katzen jenseits des Atlantiks erleben die nationale Befindlichkeit ständig am eigenen Fell. Leidet die Nation an Angstzuständen, werden sie zum Tierpsychologen gebracht, geht es aufwärts mit der Economy, werden sie auf Kostümpartys mitgenommen. Geht es allen zu gut, specken sie mit „Du darfst“-Frolic ab, nur um danach hemmungslos Catburger in sich reinzustopfen. US-Haustiere haben Neurosen und Depressionen. Eichhörnchen leben zwar von New York bis San Francisco längst von Peanuts und Donuts, lassen sich aber von menschlichen Angstzuständen nicht stören.

Anarchisch bevölkern sie die Räume, die anderen aus Sicherheitsgründen verwehrt sind. Während der Luftraum über dem Weißen Haus vor Überwachungstechnologie knistert, toben auf dem millimetergenau manikürten Rasen dutzende Eichhörnchen herum. Die Fellkugeln hüpfen unbeeindruckt von Irakkrieg und Folterdebatten um die Präsidentenvilla. Gleich nebenan, im Freedom Park, foppen sie Hunde. Immer eine Schwanzlänge voraus, verschwinden sie elegant auf einen Baum, wenn der Köter aufdringlich wird.

Indes vergeht kein Tag, an dem US-Nachrichtendienste nicht mindestens eine Eichhörnchenmeldung produzieren. So wie die taz-Wahrheit-Redakteure stets auf Bärenmeldungen lauern, sammeln Amerikaner squirrel news. Die posten sie auf liebevollen oder hasserfüllten Squirrel-Homepages, weit über neun Millionen sind es schon. Manche haben Klassiker wie Henry David Thoreaus „Walden“ nach Eichhörnchen-Zitaten durchwühlt. Garniert werden die Seiten mit Tipps für die Hörnchenaufzucht (keine Kuhmilch!) oder Rezepten für die, die nur tote Eichhörnchen für gute halten.

Squirrel-Hasser chatten in Foren über ihre Begegnung mit killer squirrels, kurz ks. So will ein Hobbyradler wiederholt von ks angefallen worden sein. Ein Ehepaar aus Missouri, das sein Auto zur Reparatur in eine Honda-Werkstatt brachte, berichtet, dass ihm ein Beutel mit fast einem Kilo Erdnüssen und eine Rechnung von 780 Dollar überreicht wurde. Ein Hörnchen hatte den Luftfilter als Winternest genutzt. Hobbygärtner tauschen sich aus, mit welcher Stacheldrahtanlage sie ihre Blumenzwiebeln im Garten am besten vor den hungrigen Nagern schützen. Und Feuerwehren in den Südstaaten berichten von Eichhörnchen als Brandursache. Denn immer wieder verglühen die buschigen Nager an Elektromasten, nur um dann als Funkenregen die trockene Graslandschaft und anliegende Wälder in Brand zu setzen.

Kein Wunder, dass manche/r AmerikanerIn die Nager für mindestens so bedrohlich hält wie Terroristen. Legte doch erst Freitagnachmittag wieder so ein Tier weite Teile der Stadt Austin lahm. Es war offenbar in einen Generator geklettert – was die südlichen Viertel für Stunden vom Strom abschnitt. Damit gab es auch kurz vor dem Wochenende in den USA wieder Angst vor einem Anschlag – und zum Glück noch eine Eichhörnchenmeldung.

ADRIENNE WOLTERSDORF