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Das PortraitEhrenmann im Terroristen

■ Francois Santoni

Ist François Santoni ein Ehrenmann? Einer, der aus Liebe ins Gefängnis geht? Oder hat der seit Monaten vergeblich von den korsischen Polizisten und der Elite der Pariser Antiterror-Ermittler Gejagte wieder einmal geschickt verhandelt?

Am Montag mittag um 13.45 Uhr spazierte der große, bullige Chef der lautesten korsischen Nationalistenbewegung in die Polizeiwache von Bastia. Er wolle seine Gefängnisstrafe – vier Monate wegen unerlaubten Waffenbesitzes – antreten, erklärte er den Polizisten. Den beiden Kameraleuten und den Freunden, die ihn begleiteten, versicherte er: „Ich komme bald wieder.“

Am Morgen war Santonis Geliebte Marie-Hélène Mattei, die langjährige Anwältin der bewaffneten Bewegung „FLNC-Canal historique“ und ihres „legalen Arms“ Cuncolta, auf dem Flughafen von Bastia verhaftet worden. Jene Frau, deren Handy- Nummer Santoni in vertrackten Situationen zu wählen pflegt. Gegen sie läuft jetzt ein Verfahren wegen Verwicklung in erpresserische Geldbeschaffung.

Santonis rötliches Gesicht, dessen oberen Teil er durch eine tief in die Stirn gezogene Mütze zu kaschieren pflegt, ist aus den französischen Medien kaum noch wegzudenken. Erst recht, seit der ehemalige Lehrer nach seiner Verurteilung in Abwesenheit im Oktober in den „Untergrund“ gegangen ist und begann, flächendeckend vielbeachtete Erklärungen abzugeben. Nach einem Interview im Est républicain, in dem Santoni die Namen seiner langjährigen Verhandlungspartner in der französischen Regierung nannte, sah sich Premierminister Juppé genötigt, umgehend zu dementieren. Nachdem Präsident Chirac am vergangenen Donnerstag im Fernsehen gesprochen hatte, erschien am Freitag prompt Santoni auf den Bildschirmen. „Chirac war sehr ausweichend. Er hat den korsischen Nationalisten nicht wirklich geanwortet. Aber wir bleiben offen für den Dialog“, sagte er.

Santoni begann seine politische Karriere als 16jähriger – damals unter der Ägide von Männern, die er heute als Führer der beiden anderen Flügel der einst einigen nationalistischen Bewegung blutig bekämpft. Im Gefolge einer der letzten Spaltungen wurde der heute 36jährige Santoni Anfang der 90er Jahre Chef der auf Korsika allmächtigen Cuncolta. Auf das Konto ihres bewaffneten Arms gehen mehrere hundert Attentate jährlich. Dorothea Hahn

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