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Ehrengerichtsverfahren gegen WAA–Anwälte

■ Die Aufforderung, nur mit anwaltlichem Beistand gegen die Wiederaufarbeitungsanlage zu klagen, soll unzulässige Werbung gewesen sein / Zahlreiche Verteidiger–Vereinigungen aus dem gesamten Bundesgebiet protestieren gegen „beamtenrechtsähnliche Zensur“

Aus München Luitgard Koch

Auf Betreiben des Direktors des Schwandorfer Amtsgerichts, Josef Auernhammer, hat die Staatsanwaltschaft des Oberlandesgerichts Nürnberg gegen die WAA– Rechtsanwälte Claudia Schenk und Franz Schwinghammer aus Regensburg eine Ehrengerichtsverfahren für Rechtsanwälte eingeleitet. Auernhammer schickte an die Nürnberger Rechtsanwaltskammer zwei Zeitungsartikel mit Berichten über Redebeiträge der beiden Anwälte auf Versammlungen von örtlichen Bürgerinitiativen gegen die WAA. Die Kammer wiederum legte die Berichte der Staatsanwaltschaft vor. Die beiden Anwälte sollen auf den Versammlungen Polizei und Justiz standeswidrig kritisiert haben, so der Vorwurf. Darüberhinaus hätten sie Werbung betrieben, was Rechtsanwälten verboten ist. Auf den Versammlungen der WAA– Gegner warnten die Anwälte davor, ohne Verteidiger in die anstehenden Prozesse zu gehen. Wer ohne Anwalt vor Gericht erscheine, werde „abgemäht“, hieß es und so wurde auch in den Zeitungen berichtet. Schwinghammer wird vorgehalten, er habe behauptet, daß die Richter, die sich freiwillig zu dem WAA–Prozeß melden, nur an ihre Aufstiegschancen denken und spätestens nach einem halben Jahr wieder abziehen. Außerdem wird ihm zur Last gelegt, daß er geäußert habe, Haftbefehle gegen WAA–Gegner dienten nur dazu, die Einsatzerfolge der Polizei nachzuweisen. Gegen diese „beamtenrechtsähnliche Zensur“ sowie den Versuch mit dem Mittel des Standesrechts gegen Kollegen, die sich bei der Verteidigung von politisch mißliebigen Beschuldigten engagieren, vorzugehen, protestieren zahlreiche Strafverteidigerver eine aus dem gesamten Bundesgebiet. Nach Ansicht der Strafverteidiger sei es absurd, angesichts der WAA–Prozeßwelle und der Schwierigkeit, genügend Verteidiger zu finden, von standeswidriger „Werbung“ zu sprechen. Seit Frühjahr 86 rollt die WAA–Prozeßlawine. Rund 3.500 Ermittlungsverfahren gegen WAA–Gegner wurden bereits eingeleitet. Mehr als 2.500 sind bereits angeklagt. Der Justizapparat wurde für die Prozesse mit auf Zeit abgeordneten Richtern und Staatsanwälten aufgestockt und trotz personeller Verstärkung wird der Aktenberg nicht weniger. Seit längerem wird nun auch mit den Mitteln des Beamten– und Disziplinarrecht gegen bekannte WAA–Gegner vorgegangen. So wurde gegen den Amberger Zivilrichter Helmut Wilhelm ein Disziplinarverfahren beim Nünberger Dienstgericht für Richter bean tragt. Wilhelmmuß annehmen, daß seine Post geöffnet wird. Im November vergangenen Jahres fand er in einem an ihn adressierten Geschäftsbrief aus Braunschweig Teile eines Formblatts mit der Aufschrift: „Bund Auffangstelle für 8.400 Regensburg“. Daraufhin erstattete er im Dezember Anzeige beim Amtsgericht Amberg. Doch außer der Mitteilung, daß die Anzeige an die Staatsanwaltschaft Regensburg weitergeleitet wurde, geschah bisher nichts. Einen „Verweis“ vom Bayerischen Minister für Wissenschaft und Kunst, Wild, erhielt auch der Regensburger Universitätsprofessor Ernst Brekle. Nach Ansicht des Ministers verletzte er seine Dienstpflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung, weil er sich öffentlich gegen den Bau der Oberpfälzer Atommüllfabrik ausgesprochen hat.

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