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Eher schwurbelig als schwul

Dieser Titel zählt auch bei den Heteros: Die dauersiegenden Fußballer des Kölner Cream Teams gehen hoch favorisiert in die Berliner Eurogames  ■ Von Jan Feddersen

Berlin (taz) – Es gibt da eine Mannschaft, die geht bei den morgen beginnenden Eurogames in Berlin so hoch favorisiert an den Start wie sonst nur Ajax Amsterdam zu Saisonbeginn der niederländischen Ehrendivision: Das Cream Team Cologne läßt aus verständlichen Gründen die Konkurrenz furchtsam erstarren. Die Fußballer aus Köln haben während der letzten drei Jahre so gut wie alle wichtigen Titel gewonnen. 1994 bei den Gay Games (einer Art Homo- Olympia) ebenso wie den Titel bei den letzten Eurogames in Frankfurt am Main.

Der Titel eines Eurogames-Gewinners zählt viel, vor allem der im Fußball: Wer es hier schafft, darf sich der Aufmerksamkeit einer heterosexuellen Öffentlichkeit sicher sein, wird zu Turnieren eingeladen oder zum Benefizspiel. Heteros sind gegen Homos besonders ehrgeizig. Legende die Geschichten über die Heteroteams, die dachten, die Kölner einfach putzen zu können – und nach dem Schlußpfiff verzweifelt und beschämt in die Grashalme versanken. Nur noch hoffend, daß niemand gemerkt hat, daß sie gegen die verloren hatten.

1992 annoncierten Sascha Hüllen und Rolf Emmerich in Kölner Homoblättern. Erstaunlicherweise meldeten sich tatsächlich einige – und bis heute stetig mehr Männer, die, wie Mittelfeldmotor Ralf meint, Fußball geil finden, aber in normalen Mannschaften nicht mitmachen wollen: „Die meisten von uns haben keine Lust, mit irgendwelchen Sprüchen behelligt zu werden. Der Druck ist beim CTC nicht da. Alle sind schwul, niemand braucht sich zu verstecken.“ Gemeinsam sind sie stärker. Auf die Frage, warum es in der Bundesliga keine schwulen Spieler gebe, sagt Hüllen nur lapidar: „Erstens glaube ich das nicht, zweitens: Wer will schon angepöbelt werden und auch noch fürchten, daß einen die eigenen Mannschaftskameraden nicht in Schutz nehmen?“ Daß das Cream Team Cologne nun so gar keinem Klischee entsprechen will, das die Öffentlichkeit gerne mal von Homosexuellen zeichnet, kümmert die Spieler wenig. Ralf (27), Chemiker, eher stämmig und ausgesprochen fußballgeil, sagt: „Der Sissi- Typ wird eher wahrgenommen. Die Normalen sieht man nicht.“ Das CTC sieht außergewöhnlich fußballerisch aus. Keine Primaballerina, nur ein Spieler hat sich einige Haarsträhnen gefärbt.

Auch die Körper sind – eher schwurbelig, typisch Fußballer eben. Krumme Beine, manche tragen Pölsterchen um die Hüfte, andere haben kaum noch Haare auf dem Kopf. Elegant wirken sie nicht. Man erkennt an ihnen nichts Schwules. Wenn sie es nicht sagen würden, käme niemand auf die Idee, sie für so zu halten.

Nur an einigen Details sieht man, daß das Corps keines von Bullen ist: die Wolldecke, die, wie kürzlich beim Freundschaftsturnier in Eindhoven, die Trainerbank abgibt, ist besonders herzig drapiert, mit allerliebst geschmackvollen Thermoskannen darauf. Auch sind naturgemäß Spielerfrauen nicht dabei, dafür aber Spielermänner. Die Ordnung stimmt auch an einem anderen Punkt: Paare spielen nicht zusammen beim CTC – es wäre wohl auch nicht auszuhalten. Das CTC, das von der kommenden Saison an erstmals offiziell in der Kölner Freizeitliga mitmachen will, hat anderen Homoteams noch etwas anderes voraus: Man nimmt die Übungsstunden ernst. Manche, die noch bei Landes- oder Verbandsligisten unter Vertrag stehen, müssen nur einmal die Woche, der Rest muß zweimal trainieren.

Unter Ägide der lesbischen Coachin Dagmar Ziege – Nachfolgerin des geschaßten Holger – wird momentan vor allem Technik geübt: Spiel ohne Ball, Koordination, Raumaufteilung, Ballannahme. Und „Torschüsse“, wie CTC- Gründer Sascha Hüllen sagt, „unsere Ausbeute ist im Verhältnis zu den Spielanteilen sehr mager“.

Im übrigen liegt den meisten CTC-Cracks das Schicksal des 1. FC Köln besonders am Herzen. Im Auto auf der Fahrt nach Köln war einmal zu beobachten, wie der FC knapp gewann – woraufhin im Auto zurück nach Köln ganz gewöhnlicher Jubel ausbrach, weder spitz geschrieben noch gejuchzt. Man kann das unheimlich finden oder auch als heteroangepaßt sehen. Authentisch glücklich klang es auf jeden Fall.

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