piwik no script img

Edmond Maires Harmonieshow

■ Der Chef der CFDT diskutierte im französischen TV mit dem gaullistischen Sozialminister

Paris (taz) - Einsam demonstrierte die kommunistische CGT–Gewerkschaft in den letzten Tagen in Paris. Frankreichs „rentree sociale“, die traditionelle Zeit der großen Arbeitskonflikte nach Ende der August–Ferien, spielt sich nicht mehr auf der Straße ab, sondern im Fernsehen. Höhepunkt des TV–rentree: eine Fernsehdiskussion am späten Donnerstagabend zwischen Chiracs Sozialminister, dem Gaullisten Philippe Seguin und dem Vorsitzenden der sozialistischen CFDT– Gewerkschaft, Edmond Maire. Von Maire weiß keiner mehr, was er eigentlich denkt. Eine atemberaubende Harmonieshow ist angesagt. Um was geht es eigentlich? Vollbeschäftigung? Aber nein . Die ist nun mal in naher Zukunft nicht erreichbar, da sind sich die Herren einig. Schließlich hatte Seguin bereits im voraus erklärt, daß Frankreich bis auf lange Zeit 2 bis 2,5 Millionen Arbeitslose haben werde. Maire ist da nicht ganz so direkt, aber: „Die CFDT hat gelernt, den Realitäten ins Auge zu sehen.“ Er schlägt also vor: „Man kann jedem Arbeitslosen sozial nützliche Tätigkeiten anbieten, selbst abweichend vom allgemeinen Recht.“ Seguin ist ganz bei der Sache. Seine Regierung redet nämlich schon seit Monaten über die Arbeitslosigkeitsbekämpfung mit sogenannten „petits boulots“, kleinen Jobs, außerhalb aller Grenzen unbequemen Arbeitsrechts. Allerdings, so meinen die Herren, sollte man doch in Zukunft den Ausdruck „petits boulots“ vermeiden, er klinge zu abwertend. Dann reden sie noch ein wenig über Umschulungsprogramme und Sozialgesetzgebung, und die Show ist aus. Mir wird schwindelig, wenn ich an den Edmond Maire der frühen siebziger Jahre zurückdenke, wie er die CFDT zum „antihierarchischen Selbstverwaltungsflügel“ der Linken erklärte, allzeit bereit die „Patrons“ zu entmachten. Nun denn, die Herren sind ehrlich: mit Vollbeschäftigungserwartungen wollen sie niemanden mehr vertrösten. Für dieses Ideal steht nur noch die CGT: draußen im Regen. Georg Blume

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen