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Easy Ride im Schrebergarten

Die Köln Dodgers qualifizieren sich durch ein 14:4 bei den Berlin Challengers für das deutsche Baseball-Finale: Eine ziemlich amerikanische Angelegenheit  ■ Aus Berlin Jürgen Schulz

Ein seltsam metallischer Klang lockt. Über einhundert Menschen sind dem monotonen „Plop-Peng“ in das Berliner Westend nachgelaufen und finden dort zwei Baseballmannschaften beim Aufwärmen. Zwischen den einheimischen Challengers und den Köln Dodgers soll ein Finalist für die deutsche Meisterschaft ermittelt werden.

Die beiden vorausgegangenen Paarungen endeten unentschieden, nun mußte das dritte Match zeigen, wer die bessere Keule schwingt. Man gibt sich amerikanisch. „Warm him up“, brüllte ein Dodger mit deutlich hörbarem rheinischen Dialekt. „Gimme another one“, preußelt ein Challenger. Auf den Zuschauerrängen kreisten Dosengetränke aus Übersee, natürlich stammten auch die Süßigkeiten aus dem Land der unbegrenzten Schokoriegel. Eine Art Beach-Part in US-Spree hätte das geben können, mitten im alliierten Gebiet — wenn das Wetter mitgespielt hätte.

Fragt sich nur: Warum nur gebärden sich die eher intellektfernen Vereinigten-Staaten-Sportarten mit derart anspruchsvollem Regelwerk? Eigentlich ist doch Beseball nichts weiter als ein Schlagballspiel zwischen zwei Neuner-Teams. An einer Ecke des quadratischen Spielfeldes mit 27,45 Metern Seitenlänge liegt ein Schlagmal (home base), an den drei anderen jeweils ein Laufmal (base). Der Werfer (pitcher) wirft dem am Schlagmal stehenden Schläger (batter) den Ball aus der Spielfeldmitte zu. Trifft der batter den Ball, so läuft er von Mal zu Mal um das Spielquadrat, mit ihm alle Spieler der Schlagpartei, die an einem „base“ stehen.

Jeder Schläger, der wieder zum Schlagmal zurückkehrt, erhält für diesen „home run“ einen Punkt. Die feindliche Fangpartei versucht jedoch, die Läufer auf ihrem Heimweg „aus“ zu machen, indem sie sie mit dem Spielball zu berühren trachtet. Werden drei Akteure der Schlagpartei „aus“ gemacht, erhält die bisherige Fängerpartei das Schlagrecht.

Wie unterschiedlich allerdings die graue Theorie praktiziert werden kann, verdeutlichten Challengers und Dodgers gleich nach Spielbeginn. Die körperlich kräftigeren Rheinländer waren den Einheimischen hinsichtlich Schlagkraft weit überlegen. Auch wenn Tom Nolan, der Kölner Star-Schläger, anfangs wild ins Leere fuchtelte, wurde den Einheimischen klar, was passieren würde, wenn er die tennisballgroße Kugel nur einmal erwischte.

Die Challengers ihrerseits hatten schon in der hiesigen Tagespresse verlauten lassen, daß sie fast einzig und allein ihrem National-Pitcher Moritz Hillebrand und den Fangkünsten Wilgen Reys vertrauen würden. Das war gegen die Dodgers eindeutig zu wenig. Nach zwei von insgesamt neun Spielabschnitten (Innings) führten die Kölner durch zwei homeruns.

Die Vorentscheidung zugunsten der mannschaftlich ausgeglicheneren Dodgers fiel nach einem Glanzstück von Tom Nolan. Mit voller Wucht erwischte er beim Stand von 2:2 den Wurf von Pitcher Hillebrand und katapultierte den Ball weit ins Jenseits der anliegenden Schrebergärten. Während die Gastgeber in den Blumenbeeten und und zwischen Armeen von Gartenzwergen nach dem weißen Rundling fahndeten, liefen Nolan und zwei seiner Mitspieler von Mal zu Mal: es stand 2:5.

Die überwiegend Berliner Fans waren geschockt. Nolan und Co. tobten sich im Kölner Lager mit Veitstänzen aus. Jetzt hatten die Dodgers, trotz einer zwischenzeitlichen Schwächephase, leichtes Spiel. Ein „easy ride“, wie die Baseballgemeinde sagt. Nach drei Stunden Spielzeit qualifizierten sich die Köln Dodgers schließlich mit einem unerwartet deutlichen 14:4 fürs Finale. Nun heißt es, ganz baseballerisch: „Go for Gold.“

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