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Archiv-Artikel

EU beschleunigt Gesetzgebung bei Asylfragen

Die Verabschiedung der umstrittenen Liste „sicherer“ Abschiebestaaten ist noch in diesem Jahr möglich

BRÜSSEL taz ■ Wenn sich Innen- und Justizminister der EU heute in Brüssel treffen, liegt Sprengstoff in einem harmlos aussehenden Tagesordnungspunkt: Es geht um die Liste sicherer Herkunftsländer. Bei sensiblen Themen wie Kampf gegen den Terror, Asyl und Migration oder bei der Vereinheitlichen des europäischen Rechtsraums geht es in Europa im Schneckentempo voran. Oft wird jahrelang nichts entschieden, weil die Positionen der Mitgliedstaaten weit auseinander liegen und das Veto eines Landes ausreicht, um ein Projekt zu stoppen.

Bei EU-Gesetzen zum Asylverfahren könnte es in Zukunft schneller gehen. Nachdem die Asylverfahrensrichtlinie Ende 2004 einstimmig beschlossen wurde, wird für Einzelfragen nur noch eine qualifizierte Mehrheit gebraucht. So könnte die umstrittene Liste so genannter sicherer Herkunftsländer, die bislang am Veto Finnlands und Belgiens scheiterte, noch in diesem Jahr beschlossen werden. Vor allem der damalige Innenminister Otto Schily hatte sich für eine solche Liste stark gemacht.

Ist sie beschlossen, müssen sich die zuständigen Behörden in jedem EU-Mitgliedsland daran halten, auch wenn sie abweichende Ansichten darüber haben, ob ein Land auf der Liste tatsächlich sicher ist. Asylbewerber aus einem so genannten sicheren Herkunftsland müssen dorthin abgeschoben werden. Entscheidungsspielraum gibt es nur, wenn der Asylbewerber „schwer wiegende Gründe dafür vorgebracht hat, dass der Staat in seinem speziellen Fall nicht als sicherer Herkunftsstaat zu betrachten ist“.

Vor zwei Jahren hatte die damals amtierende niederländische Präsidentschaft schon einmal einen Versuch gemacht, mit Mali, Benin, Botswana, Ghana, Senegal, Mauritius und den Kapverden eine Liste zu erstellen. Damals hatten Finnland und Belgien mit dem Argument widersprochen, in einigen dieser Länder seien Frauen von Genitalverstümmelung bedroht. Diese Vetomöglichkeit besteht nun nicht mehr.

Das Europaparlament wird in dieser Frage nur angehört. Da die Notbremse Einstimmigkeit im Rat weggefallen ist, die Mitspracherechte des Parlaments aber nicht gleichzeitig gewachsen sind, ist in dieser Frage, die für Flüchtlinge zur Existenzfrage werden kann, die demokratische Kontrolle deutlich geschwächt. Die Liste kann künftig beliebig erweitert werden – auch dazu genügt es, wenn im Rat der Regierungen eine Stimmenmehrheit zustande kommt.

DANIELA WEINGÄRTNER