EU-Verbot von Mikroplastik: Europas Öko-Selbstbetrug
Die EU will Mikroplastik verbieten. Aber das löst nur einen Teil des Problems – das Gift wird es weiter geben.
D as Vorsorgeprinzip ist eines der Grundfesten europäischer Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik. Es gehört zum Selbstverständnis der EU und gilt Kritikern als wichtiges Argument gegen Freihandelsabkommen mit den USA. Doch der Umgang mit Mikroplastik zeigt, dass das auf einem Selbstbetrug fußt.
Mikroplastik wird entweder extra erzeugt, etwa für Granulat auf Sportplätzen. Oder es entsteht unbeabsichtigt etwa als Reifenabrieb oder beim Waschen von kunststoffhaltigen Textilien. Wenn die EU nun im Laufe der nächsten acht Jahre den Verkauf extra hergestellter Mini-Partikel verbietet, dann reagiert sie mit der ihr eigenen Bombastik – „Wir verbieten den Schmutz, bäm!“ – auf ein Problem, vor dem Wissenschaftler, Umwelt- und Ärzteverbände schon lange warnen.
Mikroplastik reichert sich in der Umwelt an und gelangt in die Nahrungskette. Im menschlichen Körper kann es Entzündungen verursachen. Meerestiere verhungern mit vollem Bauch, weil sie ihn mit Mikroplastik gefüllt haben. Hätte das europäische Vorsorgeprinzip gegriffen, hätten die kleinen Partikel nie massenhaft hergestellt, verkauft und in der Umwelt verteilt werden dürfen, genauso wie all die anderen Stoffe, vor denen die Umweltverbände und Ärzte warnen. Abgesehen davon, dass das Problem der unbeabsichtigt in die Umwelt gelangenden Partikel mit dem Verbot nicht mal angegangen wird.
In Deutschland könnte die Bundesregierung nicht deutlicher machen, wie unwichtig ihr das ist: Während in Bonn auf der UN-Chemikalienkonferenz die Umweltministerin Weltverbesserungsreden halten darf, regelt der Kanzler in Berlin das Wichtige mit der Chemielobby auf einem Gipfel. Dass es ihm darum gehen könnte, wie diese aus der Produktion schädlicher Stoffe aussteigt, erscheint fast lächerlich. Selbstverständlich geht es darum, wie die Energieversorgung der Unternehmen günstiger gestaltet werden kann. Solange Chemikalienpolitik aber bedeutet, stets nur die schlimmsten Folgen der größten Bedrohungen einzudämmen, ist Europas Vorsorgeprinzip nicht mehr als eine gute Idee.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag