EU UND TÜRKEI HABEN SICH BEI DER ZYPERN-FRAGE ANGENÄHERT : Stoiber könnte sich zu früh freuen
Ball paradox in Brüssel: Da friert die EU ihre Verhandlungen mit der Türkei faktisch ein. Der türkische Ministerpräsident Tayyib Erdogan zeigt sich erwartungsgemäß erbost, der bayerische Edmund Stoiber entsprechend erfreut. Doch tatsächlich haben die EU-Außenminister weitgehend unbeachtet den Weg für eine Annährung Ankaras an die Europäische Union bereitet. Der Zypernstreit steht vor einer Lösung.
Zypern, das ist für Europa ein komplizierter Dreisatz, der bisher nicht aufgeht: Die Türkei soll das EU-Mitglied Zypern anerkennen. Das will sie aber nur dann tun, wenn Europa die Isolation der türkischen Zyprioten im Norden beendet. Das wiederum verhindern die griechischen Zyprioten. Jetzt aber erklärt die EU, ihr Mitglied Zypern sei endlich zu Zugeständnissen in dieser Frage bereit. Damit könnte die Rechnung aufgehen: Zyperns Türken erhalten wirtschaftliche Hilfe, die Türkei erkennt Zypern an – und die Türkei hat bei den EU-Verhandlungen wieder eine echte Chance. Und Edmund Stoiber hat sich zu früh gefreut.
Unglücklicherweise aber unterliegen Gespräche zwischen den EU-Partnern nicht der strengen Logik der Mathematik. Wie weit wird die Kompromissbereitschaft der Zyprioten gehen? Weit genug für eine türkische Zustimmung? Und geht diese dann wiederum Zypern, Griechenland und all den anderen Bedenkenträgern weit genug? Doch selbst wenn diesmal ein Konsens erreicht werden sollte: Der Zypernkonflikt wird immer wieder zur Stolperfalle für Ankara werden, solange der Streit um die geteilte Insel nicht endgültig geregelt ist.
Mit der Aufnahme der Insel-Griechen in die Gemeinschaft hat sich die EU den Konflikt aufgeladen. Nach geltendem Völkerrecht halten 40.000 türkische Soldaten den Nordteil eines EU-Mitgliedslands besetzt. Noch setzen die Europäer darauf, dass die Vereinten Nationen dem jahrzehntealten Konflikt um die Insel zu einer Lösung verhelfen. Doch es wird Brüssel nichts anderes übrig bleiben, als selbst zu einer Konfliktregelung beizutragen – und zwar wesentlich aktiver als bisher geschehen. KLAUS HILLENBRAND