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EU-Strom bald billiger

■ Durchbruch bei der Liberalisierung des EU-Elektrizitätsmarktes heute?

Brüssel (taz) – Die Liberalisierung des europäischen Strommarktes erscheint nach fünfjähriger Debatte erstmals in Sichtweite. Heute verhandeln in Brüssel die Wirtschafts- und Energieminister der 15 EU-Staaten über einen neuen Plan der italienischen Präsidentschaft.

Profitieren sollen vom Aufbrechen der Strommonopole zuerst einmal nur Großabnehmer. Sie können sich, dem italienischen Konzept zufolge, künftig ihre Lieferanten selber suchen. Ist der heimische Anbieter zu teuer, können auch Angebote aus dem Ausland geprüft werden. Über weitere Entfernungen werden die Preisunterschiede der Erzeuger jedoch weniger zum Tragen kommen, da pro Kilowattstunde jeweils noch einige Pfennige Durchleitungsgebühr hinzukommen.

Nach dem Plan der italienischen Präsidentschaft werden zuerst nur Großabnehmer mit einem Jahresverbrauch von mindestens 40 Gigawattstunden in den Genuß der Marktfreiheit kommen. Innerhalb von zehn Jahren soll der Schwellenwert auf 10 Gigawattstunden abgesenkt werden. So würden anfangs 25 Prozent, am Ende immerhin 40 Prozent des europäischen Strommarktes liberalisiert.

Dieses Konzept einer automatischen Ausweitung des freien Marktes ist bereits weitgehend akzeptiert. Umstritten sind hauptsächlich noch Ausmaß und Tempo der Liberalisierung. Den Franzosen geht alles zu schnell, den Deutschen und Briten zu langsam. Eine Einigung scheint heute aber möglich. „Das mögen die Minister, wenn das Prinzip klar ist und sie nur noch über Zahlen feilschen müssen“, hieß es in Delegationskreisen. Günter Rexrodt etwa wird versuchen, einen Endwert von fünf Gigawatt festzuschreiben und die Übergangsperiode auf fünf Jahre zu verkürzen.

Normale Kleinverbraucher werden von der Liberalisierung erstmal gar nichts haben. Sie müssen eher mit einer Erhöhung der Strompreise rechnen, wenn sich die Stromkonzerne bei ihnen für schrumpfende Gewinne bei den Großabnehmern schadlos halten. Dies belegen Erfahrungen aus Großbritannien, wo 1990 eine ähnliche Liberalisierung vorgenommen wurde. Während die Strompreise für Unternehmen binnen zwei Jahren um 30 Prozent sanken, stiegen sie für die einfachen Haushalte um 20 Prozent.

Wenig Unterstützung findet Rexrodt natürlich bei den deutschen Energieversorgern. Sie haben sich in ihren Gebietsmonopolen bequem eingerichtet und würden durch Konkurrenzangebote der französischen EdF, die immer auf der Suche nach Absatzmärkten für ihren Überschüssigen Atomstrom ist, gehörig unter Druck geraten.

Die französischen Regierung aber ist vorsichtig, weil die Beschäftigten der staatlichen EdF Jobverluste fürchten. Außerdem könnten Konkurrenten versuchen, in Frankreich moderne Gaskraftwerke zu bauen, die sich zum Teil schon nach fünf Jahren amortisieren. Die französichen AKW rechnen sich erst nach 20 Jahren. Christian Rath

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