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EU-Reformvertrag von LissabonVaclav Klaus baut neue Schikane ein

Die Zugeständnisse der EU an Irland verändern den Lissabon-Vertrag, meint der Tschechische Präsident Klaus. Deshalb müsse die Ratifizierung von vorne beginnen.

Vaclav Klaus ist jede Finte recht, damit der Lissabon-Vertrag zum Staubfänger wird. Bild: dpa

DUBLIN taz | Der EU-Reformvertrag von Lissabon steht vor einer neuen Hürde. Tschechiens Präsident Václav Klaus sagte am Samstag, dass die Zugeständnisse an Irland das Vertragswerk verändert haben und der Ratifizierungsprozess von Neuem beginnen müsse. Das befürchtet auch der britische Premier Brown, dem die EU-kritischen Tories im Nacken sitzen. Am Freitag hatte man noch geglaubt, mit den Zugeständnissen an Irland den Weg für die Ratifizierung geebnet zu haben. Die Iren hatten ihn voriges Jahr abgelehnt.

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel einigten sich die Regierungschefs in der Nacht zum Freitag darauf, Irland in einem Zusatzprotokoll zu garantieren, dass der Vertrag nichts an der Steuerpolitik, dem Abtreibungsverbot und der militärischen Neutralität Irlands ändere. Darüber hinaus soll jedes EU-Land einen Kommissar behalten, obwohl laut Vertrag die Zahl der Kommissare reduziert werden sollte. "Selbst einem Erstklässler dürfte klar sein, dass dies eine Änderung ist", sagte Klaus.

Die Garantien sollen allerdings erst später in Kraft treten, vermutlich als Zusatzprotokoll zum Beitrittsvertrag mit Kroatien, der dann ebenfalls ratifiziert werden muss, erklärte der irische Premierminister Brian Cowen von der Regierungspartei Fianna Fáil. Sein Koalitionspartner, die Grünen, begrüßten die Garantien. Parteichef und Umweltminister John Gormley sagte, die Grünen wollten demnächst auf einem Sonderparteitag über ihre Haltung zum Vertrag von Lissabon entscheiden.

Voriges Jahr verfehlte Gormley die Mehrheit, sodass die Grünen offiziell neutral blieben, obwohl die Parteispitze offen für ein Ja eintrat. Bei den Lokal- und Europawahlen vor gut zwei Wochen mussten die Grünen ebenso wie Fianna Fáil verheerende Niederlagen einstecken.

Declan Ganley, der dubiose Multimillionär mit Verbindungen zum US-amerikanischen Militär und zur Rüstungsindustrie, der voriges Jahr viel Geld in die Anti-Lissabon-Kampagne gepumpt hatte, ist bei den Europawahlen mit seiner Libertas-Partei gescheitert. Dagegen konnten Linke und Sozialisten bei den Wahlen deutlich zulegen. Joe Higgins von der Sozialistischen Partei zieht ins Europaparlament ein und ist das Aushängeschild der Vertragsgegner. Das Referendum wird wahrscheinlich am 2.. Oktober stattfinden. Die Regierung hofft, dass die Iren wegen der Wirtschaftskrise diesmal aus Furcht Ja zu Lissabon sagen. Neben Furcht herrscht auch Wut auf die Regierung, die sich mehr um ihre Leute als um das Land gekümmert und so die Krise sehr verschärft hat. Deshalb kann sich Cowen nicht auf die Buchmacher verlassen, die von einem Ja ausgehen.

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3 Kommentare

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  • ER
    erich richter

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    Das ganze entwickelt sich zur Farce. Was man akkgemein von dieser EU hält, spiegelt sich am besten in der Wahlbeteiligung nieder.

    Aufklärung über die EU ist gleich null, weil man es auch nicht will. So können eigentlich die Landesparlamentarier gemeinsam mit den oftmals

    Zweitklassigen "EU-fritzen" ihr "Süppchen" kochen.

    "Ganz zum Wohle der 500 Millionen-Bevölkerung" !

    Merkel&Co suchen sich dann das "Beste" heraus und

    machen polemische Außenpolitik !

  • M
    modtiger

    Vaclav Klaus gefällt mir immer besser. Von wegen alle hätten ratifiziert. Zwischendurch ist der Vertrag mehrmals geändert worden.

     

    Ich schreib demnächst in meinen Mietvertrag, dass die Garten-Nutzung garantiert ist und in den Arbeitsvertrag kommt ein zusätzlicher Ferientag und im Kaufvertrag "wächst" mein Grundstück um einen halben Meter entlang der Längsseite - natürlich alles zum selben Preis.

     

    Das Referendum in Irland zu wiederholen ist dagegen ok. Allerdings der Zeitpunkt ist eine Frechheit. Zwei Jahre ist die übliche Karenzzeit, bis eine Entscheidung überdacht werden sollte. So hat es den üblen Nachgeschmack, es würde so lange abgestimmt, bis das "richtige" Ergebnis herauskommt.

     

    Von einer "Verfassung" erwarte ich zudem ein europaweites Referendum. Eines das z.B. zu den Parlamentswahlen einheitlich in allen Ländern gleichzeitig erhoben wird. Nach Umfragen sollen 80% der Deutschen gegen das Machwerk sein.

     

    Die allergrößte Frechheit ist es jedoch in der Ablehnung des Textentwurfs eine Europamüdigkeit hinein zu interpretieren. Berlusconis Freunde schreiben dort einen Absatzmarkt für den überteuerten Eurofighter 2000 fest, beharren aber auf dem Schutz ihrer Schwarzgelder vor politischer Reglementierung und dem EU-Parlament traut die Großindustrie schon gar nicht.

     

    Lissabon ist tot. Je schneller davon Abschied genommen wird, desto geringer der Schaden für ein einiges Europa - sonst kann es nur ein Europa der Knüppel á la Iran geben. Hoffentlich bleiben die Iren standhaft.

  • H
    huhn

    es ist ja an sich schon eine frechheit das irland das eintigste land ist indem die bevölkerung gefragt wird!

     

    andernfalls wäre nämlich irland nicht das einzigste land das den vertrag ablehnt!

     

    es ist ebenso eine frechheit das, in beispielsweise deutschland, die bevölkerung nicht nur nicht gefragt wird, sondern auch in keinster weise über das thema aufgeklärt wird!!

     

    DAS IST KEINE DEMOKRATIE!!