EU-Politikerin wechselt an die Börse: Neuer Lobby-Skandal in Brüssel
Als EU-Abgeordnete war die britische Liberale Sharon Bowles für Finanzmarkt-Regulierung zuständig. Jetzt arbeitet sie an der Londoner Börse.
BRÜSSEL taz | Steht die europäische Finanzmarkt-Gesetzgebung unter besonderer britischer Kontrolle? Diese Frage stellt sich nach einem neuen Lobby-Skandal im Europaparlament. Die ehemalige Vorsitzende des mächtigen Wirtschaftsausschusses, die britische Liberale Sharon Bowles, hat gleich nach ihrem Abschied aus Brüssel bei der Londoner Börse angeheuert, wo sie für Regulierung zuständig ist.
Der grüne Finanzexperte Sven Giegold spricht von einem Skandal. „Diese Seitenwechsel gefährden die Demokratie“, warnte Giegold in einem hitzigen Austausch mit Bowles auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Britin sei unter anderem für die Bonusregelung für britische Banker zuständig gewesen, sagt Giegold. Nun stehe sie im Dienst der Londoner Finanzlobby. Bowles wehrte sich mit dem Hinweis, dass sie keine leitende Rolle bei der Börse habe und sich weiter für eine effiziente Regulierung einsetzen werde. Doch nach ihrem Seitenwechsel droht eine Vermischung von Interessen, fürchtet Giegold. Dem Phänomen der „Revolving doors“ (Drehtüren) müsse endlich ein Riegel vorgeschoben werden.
Auch die ehemalige SPD-Europaabgeordnete Erika Mann war nach ihrem Abschied aus dem Parlament 2011 ins Brüsseler Lobbybüro von Facebook gewechselt. Als Parlamentarierin war Mann allerdings Mitglied der Intergroup European Internet Foundation, die sich mit Google & Co. befasst.
EU-Ombudsfrau Emily O’Reilly schlug bereits im Frühjahr vor, eine unabhängige Aufsicht einzurichten, die zunächst die Mitarbeiter der EU-Kommission im Auge haben sollte. Doch geschehen ist bislang nichts. Weitere kritische Fälle dürften demnächst bekannt werden, wenn viele Kommissare und Beamte ausgetauscht werden. Immerhin gibt es bereits eine Regelung, laut der die Kommission Beamten einen Job bei Interessenkollision auch drei Jahre nach Ende des Arbeitsverhältnisses untersagen kann. 2010 hatte die Behörde Exkommissar Charlie McCreevy gezwungen, einen Chefposten bei einer britischen Bank aufzugeben.
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