: EU-Kommission weiterhin betrugsanfällig
Rechnungshof kritisiert wie im Vorjahr Brüsseler Buchungspraxis. Kommissionspräsident Prodi läuft derweil mit seinem Schmusekurs im EU-Parlament auf. Geeignetes Bauernopfer wäre der Chef des Überwachungsamts OLAF
BRÜSSEL taz ■ Mit einer lächelnd vorgetragenen und weich gespülten Version des Eurostat-Skandals versuchte Kommissionspräsident Romano Prodi gestern in Straßburg die EU-Parlamentarier zu besänftigen. Doch weder am frühen Morgen vor dem Haushaltskontrollausschuss, noch später im Plenum kam seine Geschichte, warum Millionenbeträge aus Steuermitteln einfach verschwanden und warum jetzt dank energischer Gegenmaßnahmen alles anders wird, gut an. Zu oft haben die Abgeordneten in den vergangenen vier Jahren gehört, die Reform sei auf einem guten Weg und Misswirtschaft oder Betrug werde mit „null Toleranz“ begegnet.
Dagegen spricht auch der zeitgleich vorgelegte Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs, der die gleichen Missstände wie in den Vorjahren aufzählt: Das Buchhaltungssystem der Kommission sei betrugsanfällig, bemängelte wieder einmal Rechnungshofpräsident Fabra Valles. Außerdem würden nach wie vor weitaus mehr Mittel bereitgestellt, als dann ausgegeben werden könnten – es klemmt vor allem in der Strukturförderung und der Entwicklungshilfe. 7,4 Milliarden Euro, liegen vom Etat 2002 noch auf Halde. Wenn Budgetkommissarin Michaele Schreyer trotzdem behauptet, hier gebe es erhebliche Fortschritte, mag das daran liegen, dass die Summe 2001 sogar doppelt so hoch war.
Diemut Theato, die konservative Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, die sonst unendliche Geduld für die Reformpannen der Kommission aufbringt, wandte sich gegen Prodis Vorschlag, den für die Verhinderung unerklärlicher Kassenabflüsse zuständigen OLAF-Überwachungsausschuss durch einen neuen Verwaltungsausschuss zu ersetzen: „Ich möchte Sie herzlich warnen, nicht noch mehr Gremien zu schaffen, sondern die, die wir haben, zu stärken.“ Prodi will die Kompetenzen des Amtes offensichtlich beschneiden: „Bereiche, die keinen direkten Zusammenhang mit der Untersuchungsarbeit haben, sollten wieder in die Kommission eingegliedert werden.“ Sein Vorschlag sei aber keinesfalls als Kritik an der Arbeit des deutschen OLAF-Chefs Franz-Hermann Brüner zu verstehen, wiedersprach Prodi von der Online-Ausgabe des Stern kolportierten Gerüchten. „Vor dem Hintergrund des offenen Eurostat-Falles wäre das politischer Wahnsinn, ein System von Selbstprüfung wäre sensationell dumm“, schimpfte der österreichische Sozialist Herbert Bösch.
Und der dänische Abgeordnete Jens-Peter Bonde erinnerte daran, dass mehrere Kommissionsmitarbeiter suspendiert wurden, weil sie auf die Missstände aufmerksam gemacht hatten.
Der gestiegene Druck könnte Prodi aber dazu veranlassen, mit einem Bauernopfer Tatkraft zu beweisen. Den für Eurostat zuständigen Kommissar Solbes versucht er ebenso zu halten wie die für OLAF zuständige Kommissarin Schreyer. Dagegen bietet sich der bayrische Exstaatsanwalt Franz-Hermann Brüner als Sündenbock an. DPS