EU-Einigung bei Land- und Meeresschutz: Mehr Natur wagen
EU-Verhandler vereinbaren, die Natur bis 2030 auf 20 Prozent der Fläche wiederherzustellen. Umweltschützer loben das, kritisieren aber Ausnahmen.
Die „Verordnung über die Wiederherstellung der Natur“ soll dazu beitragen, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, den Klimawandel zu reduzieren und die Ernährungssicherheit zu erhalten. Bislang sind mehr als 80 Prozent der europäischen Naturlebensräume nach EU-Angaben in einem schlechten Zustand. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Menge und die Vielfalt der wildlebenden Bestäuberinsekten in Europa dramatisch zurückgegangen.
Die EU-Länder müssen Maßnahmen ergreifen, um bis Ende 2030 eine positive Entwicklung bei zwei von drei Indikatoren der Artenvielfalt auf Landwirtschaftsflächen zu erreichen. Dies sind laut EU-Parlament der Index über Wiesenschmetterlinge, der Anteil der Agrarflächen mit vielfältigen Landschaftsmerkmalen und der Bestand an organischem Kohlenstoff in den Mineralböden der Äcker.
Die Mitgliedstaaten müssten zudem bis 2030 auf mindestens 30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Moorflächen Wiederherstellungsmaßnahmen ergreifen. Mindestens 7,5 Prozent sollen wiedervernässt werden. Die Wiedervernässung solle aber für Landwirte und private Landbesitzer freiwillig bleiben. Sie würde verhindern, dass diese Böden weiterhin so viel Treibhausgas ausstoßen.
Kontroverses Agrarziel gestrichen
„Die EU-Länder müssen außerdem den Rückgang der Bestäuberpopulationen bis spätestens 2030 umkehren und danach einen steigenden Trend erreichen, der mindestens alle sechs Jahre gemessen wird“, teilte das Parlament mit.
Gestrichen wurde das ohnehin ziemlich unverbindliche Ziel im Entwurf der EU-Kommission, ein Zehntel der gesamten EU-Agrarfläche „mit Landschaftselementen mit großer biologischer Vielfalt zu gestalten“. Für die Landwirtschaftsflächen vereinbarten die Institutionen zudem wie vom Parlament gewünscht eine „Notbremse“: Wenn die Lebensmittelpreise wegen einer unvorhersehbaren und außergewöhnlichen Krise wie dem Ukraine-Krieg stark steigen, sollen die Ziele für längstens ein Jahr außer Kraft gesetzt werden können.
Um den Zustand der Wälder zu verbessern, müssen der Einigung zufolge EU-weit zusätzlich 3 Milliarden Bäume gepflanzt werden. Auf 25.000 Flusskilometern sollen Barrieren entfernt werden. Zum Vergleich: Schon Deutschlands Bäche und Flüsse sind laut Bundesamt für Naturschutz insgesamt etwa 400.000 Kilometer lang.
„Die EU-Länder müssen außerdem dafür sorgen, dass bis 2030 die Gesamtfläche der städtischen Grünflächen und die Baumkronen in städtischen Ökosystemgebieten im Vergleich zu 2021 nicht abnehmen“, berichtete das Parlament. „Nach 2030 müssen sie diese Werte erhöhen, wobei die Fortschritte alle sechs Jahre gemessen werden.“
Für all das soll jeder EU-Staat der Kommission in Brüssel jedes Jahr einen Plan mit Maßnahmen vorlegen. Die Kommission kann den Plan kritisieren, aber sie hat keine rechtlichen Druckmittel, um Mängel beheben zu lassen.
Konservative freuen sich über Änderungen
Der gefundene Kompromiss muss noch von den EU-Staaten und dem Europaparlament abgesegnet werden. Normalerweise ist das Formsache. In diesem Fall ist jedoch nicht sicher, dass genug Christdemokraten von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) dem Kompromiss zustimmen. Sie hatte zuvor den Verordnungsentwurf der Kommission heftig kritisiert, weil er die Ernährungssicherheit gefährde.
„Die EVP-Fraktion wird die heutigen Ergebnisse vor den anstehenden Entscheidungen im Umweltausschuss und im Plenum ernsthaft prüfen und sorgsam abwägen“, sagte die CDU-Verhandlerin Christine Schneider. Sie betonte aber, dass die Verordnung nun „stark überarbeitet“ sei, und ergänzte: „Wir sind froh, dass sich die anderen Fraktionen in unsere Richtung bewegt haben“. Zum Beispiel sei „das umstrittene Ziel der Wiederherstellung der Natur auf das Niveau der 1950er Jahre“ gestrichen worden.
Die für die Grünen an den Verhandlungen beteiligte Abgeordnete Jutta Paulus sprach von einigen schmerzhaften Kompromissen, etwa durch viele Ausnahmen von den Verpflichtungen. Insgesamt sei die Einigung aber „eine gute Grundlage, um dem Artensterben in Europa endlich entgegenzuwirken.“ Der Naturschutzbund (Nabu) lobte trotz zahlreicher Abstriche, dass überhaupt „ein Text auf dem Tisch liegt mit Vorgaben für die Wiederherstellung aller Ökosysteme.“
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