EU-BERICHTE FÜR RUMÄNIEN UND BULGARIEN: NUR GUT FÜR BÜROKRATEN : Brüssel verschläft eine Debatte
Der kritische Bericht, den die Kommission gestern zu den Fortschritten Rumäniens und Bulgariens auf ihrem Weg in die EU veröffentlichte, dürfte bei den beiden Beitrittskandidaten nicht für besondere Aufregung sorgen. Denn in Sofia weiß man genau, dass die langwierige Regierungsbildung den Transformationsprozess so sehr behinderte, dass das Land seinen Vorsprung vor Rumänien eingebüßt hat. Und in Bukarest macht man sich erst gar nicht die Mühe, das Problem der Korruption bis hinauf in die höchsten staatlichen Ämter klein zu reden. Regierung wie Bevölkerung beider Staaten wissen, dass es noch ziemlich viel zu tun gibt, und sie sind bereit, diesen Weg zu gehen.
Umso alarmierter werden dagegen die EU-Mitgliedstaaten reagieren. Denn die durchaus berechtigte Kritik der Kommission an den beiden Balkanstaaten wird viele in ihren Vorurteilen bestätigen. Angesichts der Krise, in der sich die EU befindet, wird die Tatsache, dass Rumänien auf der Korruptionsskala von Transparency International auf gleicher Höhe wie die Mongolei liegt, die Zustimmung zur Erweiterung der Union nicht fördern. Im Gegenteil.
Die nun zu erwartenden Forderungen nach einer Verschiebung des Beitritts machen einen Fehler deutlich, der den Erweiterungsprozess von Anfang an begleitete. Das Wissen des Westens über das, was im Osten – und noch viel mehr im Südosten – des Kontinents passiert, ist in den vergangenen 15 Jahren nicht gewachsen. Dazu tragen nicht zuletzt auch die Fortschrittsberichte selbst bei. Denn sie reduzieren all das, was dort derzeit an Neuem und Innovativem entsteht, auf technische Details. Der Jurist und der Investor wissen nun Bescheid. Europäische Identität entsteht so nicht.
Seit der Debatte über billige polnische Klempner, die wohl entscheidend für die Ablehnung der EU-Verfassung durch die Franzosen war, ist ein halbes Jahr vergangen. Die notwendige Debatte darüber, was eine erweiterte EU ganz Europa bringt, hat wieder nicht begonnen. Der Eindruck, dass die Politiker keine Kraft haben, die Krise Europas zu lösen, vertieft sich. SABINE HERRE