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E.T.s böse Großmutter

■ Nicolas Roegs „Hexen hexen“

Sie steigt nicht auf dem Blocksberg ab, sondern im Luxushotel, ihr Transportmittel ist nicht der Besenstiel, sondern der Mercedes, und zur Stärkung nimmt sie nicht Stechapfel und Fliegenpilz, sondern Champagner.

Anjelica Huston ist Witchqueen und Hexendiva, mit mehr als nur einem Touch Hollywoodstar Persiflage. Sie spricht das deutsche Amerikanisch Marlene Dietrichs, und sie begrüßt ihr Fußvolk mit senkrecht in die Luft gerissenem Arm, jener Geste aus dem Koketterierepertoire der Marilyn Monroe, Jane Mansfield oder Anita Ekberg. Ihr Gang erinnert an Mae West und das Spiel ihrer Lippen an Joan Crawford.

Anjelica Huston hat dem Sexappealgebaren die Erotik ausgetrieben, und damit ihre Figur zu einer komisch -ironischen Statue überformt, durch die kaltes Vampirblut fließt. Aber ihr Vernichtungswille richtet sich nicht auf den Mann, das Ziel des Vamps, sie hat es auf Kinder abgesehen. Nun hat die oberste Kindervernichterin ihre Untertanen zum Jahreskongreß zusammengerufen, eine Art Jahreshauptversammlung der Aktionärinnen der Zauberkunst.

Nicolas Roeg hat den Höhepunkt, das Kinderfressentreffen und den finalen Mäusetanz-Hexenkessel mit wildbewegter Kamera in Szene gesetzt. Der verzerrte Gesichtertaumel ist fotografiert, als seien es lebendig gewordene Bilder von Georg Grosz oder Hyronimus Bosch, von einem Comiczeichner neu designt.

Roegs Schelmenstreich beginnt als Provinzbild und Knusperhäuschenidylle und steigert sich zum alles verschlingenden Ereignis- und Kamerastrudel.

Großmutter (Mai Zetterling) erzählt ihrem Enkel alles Wissenswerte über das Leben der Hexen und berichtet über eigene Erfahrungen mit den Zauberdamen. Eine leise Ironie schwingt in ihrer Märchenstimme, gerade genug um eine Spur zu irritieren. Ist sie vielleicht selber eine Hexe, oder ist alles nur ein Spaß? Zigarren raucht sie auch.

Ihre Stimme ist im Off zu hören, die Bilder: eine Märchenwelt. Dann bricht die Realität ein. Die Eltern des Jungen kommen bei einem Autounfall ums Leben, Umzug mit der Oma, und der Junge begegnet seiner ersten eigenen Hexe. Das Märchen wird Wirklichkeit.

Immer näher rückt die Kamera an das Teufelsgeschehen und verdichtet die wahnwitzigen Ereignisse zu cinematographischer Spannung. Die distanzierende Erzählerironie weicht einer satirischen Personenzeichnung. Anders als das kurze Pappmaskenzwischenspiel, das die Oberhexe als E.T.s Oma erscheinen läßt, ist das kein reines Kinderkino mehr.

Menschen im Hotel: Stereotypen aus der Kinderperspektive

Als die Kinder dann in Mäuse verwandelt werden, kriecht die Kamera gleichsam über den Boden und übersteigert die komisch -bedrohliche Wirklichkeit einer Erwachsenenwelt aus bösartigen Phänotypen.

Die deutsche Synchronisation reduziert den ironischen Spaß. Natürlich geht Anjelica Hustons deutscher Akzent verloren. Aber auch ihre dunkle, strenge Stimme wird durch eine blöde piepsende Klischee-Hexe ersetzt. Auch die beiden Kinder haben, wie im deutschen Synchronwesen üblich, süße Mäusestimmen. Im Original sprechen sie wie richtige Rotzjungs mit frecher Stimme, auch noch nachdem sie zu niedlichen Mäusen verwandelt sind (lippensynchron!). In der deutschen Fassung scheinen ihre Stimmen in den Mäusen nur den passenden Körper gefunden zu haben.

Gunter Göckenjan

Nicolas Roeg: Hexen hexen mit Anjelica Huston, Mai Zetterling, Jason Fisher, GB 1989, 92 Minuten.

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