piwik no script img

ENDLICH FREI!

■ TiK-WEIBstück „Peep-Girl“ in der Trilogie

Eigentlich versprechen die Stücke des TiK-Theaters von Frauen nicht nur für Frauen witzige, geistreiche Stunden mit der nötigen Portion Ernst - kurz, etwas fürs Leben. Für die Reihe der TiK-WEIBstücke hätte dies erst recht gelten müssen. Das neue Stück Peep-Girls versprach noch mehr: ein buntes Stück über das Verhältnis von Politik, Geld und instrumentalisiertem Sex. Um vier Frauen sollte es gehen, die auf der Drehscheibe einer Berliner Peep-Show schnell verdienen wollen, um ihr gegenwärtiges und ihr vergangenes Leben hinter sich lassen zu können: die Prostitution, die verblaßten Träume vom Schauspielerinnendasein, die sozialen Folgen einer Umwandlung von einem Mann in eine Frau. Sie warten auf die eigene Boutique oder darauf, das Kind endlich aus dem Fürsorgeheim holen zu können. So weit, so sehr gut.

Eines Tages, kurz vor Weihnachten, läßt der Senat die Peep -Show schließen, weil „die Würde der Frau durch die objektive Rolle“ der Peep-Girls angegriffen würde, „Kommunikation und soziale Kontrolle“ in den Kabinen fehlten. Als Ergebnis dieser so ungewöhnlichen wie scheinheiligen Maßnahmen finden die Frauen die Väter und Onkels nach dem Fest der Familie hautnah vor der Bühne wieder. Die trennenden Glasscheiben sind gefallen, „Kommunikation“ ist möglich - die Herren können endlich begrabschen, was sie zuvor nur beglupschen durften. Das Maß ist voll, die Frauen müssen handeln.

Phantastischer Ansatz! Gepfefferte Kritik am Patriarchat! Endlich werden Frauenkomödien und -tragödien nicht nur aus Beziehungskisten hervorgewühlt, nein, von der Bühne geht der feministische Angriff direkt aufs Ganze... Weit gefehlt! Zwar haben die AutorInnen und Schauspielerinnen der „Peep -Girls“ Vorortforschung betrieben und mit den in den Shows arbeitenden Frauen gesprochen, aber auf der Bühne des TiK -Theaters staksen nur Frauen umher, die mit Spindtüren knallen und Sprüche klopfen. Mauen Gags folgt auf dem Fuß: „Das war jetzt aber ein dummer Spruch von dir.“ Da bleibt den Zuschauern das Mitdenken erspart, weil der Text den Kommentar gleich mitliefert. So lassen sich die Füße in Ruhe auf die Cafetischchen im Zuschauerraum legen, während die eigentlich liebenswürdigen, mit kleinen menschlichen Marotten ausgestatteten Damen zwei Stunden verplaudern. Betont echt soll die Sprache sein, aber ohne jede Spannung reiht sich Aussage an Aussage und um so unnatürlicher wirkt auch die kleinste Bemerkung, die eine der Frauen macht.

Frau „Aphrodite“ schießt den Vogel ab: Sie ist frisch vom Olymp herabgestiegen, um zu schauen, was auf Erden aus der Liebe geworden ist. In einem Anfall von Selbstüberschätzung bewarb das zarte Geschöpf sich in der Peep-Show. Nun erträgt sie es nicht und schwadroniert in ihrem Götterjargon von Träumen, Apfelbäumen und zerstörten Naturidyllen, die natürlich symbolisch zu verstehen sind. Frau „Aphrodite“ ist es, die dem Stück fünf Minuten vor Schluß die entscheidende Wendung gibt. Aphrodite verteilt rosa Briefchen. Die Befreiung der Frauen verläuft so harmlos, so leicht, als sei's einer von Aphroditens Märchenblütenträumen: Der Brief kündigt einen Lottogewinn an, mit dem die Boutique gegründet werden kann, der anderen das Kind, das auf zauberhafte Weise vom Fürsorgeheim vor die Tür der Peep-Show gebeamt wurde. Hurra, endlich frei! Und auf und davon stieben die Frauen in ein frohes Leben...

Claudia Wahjudi

Peep-Girls von C.Flegel und G. Neubert im TiK-Theater in der Trilogie, jeden Do bis So 20.30 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen