EMtaz: Kommentatorin über ihr TV-Debüt: „Mehrheit gegen Frau am Mikro“
Claudia Neumann ist die erste deutsche Live-Kommentatorin eines EM-Spiels der Männer. Sie stellt sich auf schlechtes Feedback ein.
taz: Sie sind die erste Frau, die ein Männerländerspiel für das deutsche Fernsehen kommentiert. Fühlen Sie sich diskriminiert, in der Vorrunde kein deutsches Spiel kommentieren zu dürfen? Oder haben Sie sich schon das ganze Leben darauf gefreut, als Debütantin die Anfängerbegegnung Wales–Slowakei kommentieren zu dürfen?
Claudia Neumann: Grundsätzlich würde ich sagen: Weder noch. Aber wenn ich mich entscheiden muss, dann freu ich mich natürlich über den Debütantenball, zu dem ich ganz gut passe.
Finden Sie es nervig, dass alle Sie nach Ihrem Debüt fragen?
Ursprünglich wollte ich diesmal gar keine Interviews geben, weil ich erstens alles schon mal gesagt habe, damals 2011 vor der Frauen-WM. Und zweitens, weil ich nicht gern Gegenstand von Berichterstattung bin. Als Journalistin weiß ich die Nachfrage natürlich zu schätzen, eine komplette Verweigerung hätte vermutlich noch mehr Wirbel entfacht. Für mich ist dieser Job nur eine weitere Station in einem normalen Werdegang. Aber ich verstehe, dass das aufgegriffen wird, weil es immer noch eine Mehrheit gibt, die es nicht gut findet, wenn eine Frau den Männerfußball kommentiert. Da sind wir längst noch nicht so weit, wie das manche Politiker oder Gesellschaftsexperten gern glauben machen wollen.
Sie sagen, dass eine Mehrheit etwas gegen eine Frau am Fußballmikrofon hat. Was war der schlimmste Kommentar zu Ihrem Kommentar?
Ich verfolge die Kommentare zu meinen Kommentaren nicht so konsequent, sonst würde ich wahrscheinlich depressiv durchs Leben laufen. Mal ist es die Stimme, mal ein Versprecher und mal ein unterstelltes Kompetenzdefizit, über das sich Leute aufregen. Dinge, die jedem Kommentator passieren. Ich muss mich wohl darauf einstellen, dass man mir nach jedem kleinen Patzer nachsagen wird: „Die kann es halt einfach nicht.“
Deutsche Fußballkommentatoren haben ja oft eher bescheidenen Unterhaltungswert. Was finden Sie unterhaltsamer: nordkoreanischer Stil oder britisch-südamerikanischer Stil?
Sagen wir so, ich würde auf keinen Fall den Unterhaltungskasper geben, weil ich weiß, dass ich das nicht bin. Wer das andere kann und trotzdem die fachliche Kompetenz nicht verlässt, den finde ich richtig klasse. Die Leute erwarten ja oft, dass man wie ein Fan kommentiert, Begeisterung und Emotionen schürt. Aber das kann auch schnell mal dazu führen, die journalistische Basis zu verlieren. Die ist für mich unverzichtbar, auch im Handwerk des Live-Kommentars. Es ist aber schon ein kleines Vabanque-Spiel. Beim Männerfußball ist das oft nicht so das Problem, weil im Stadion eine grandiose Fanatmosphäre herrscht. Da kann man auch mal zwei Minuten die Klappe halten.
Sie würden sich in der Kommentartradition also irgendwo zwischen Edi Finger und Hans Heinrich Isenbart sehen?
Ich bin sicher irgendwo dazwischen. Heute ist bei vielen Emotionalität das Hauptkriterium. Das war früher anders. Vielleicht tun wir Deutschen uns da auch ein bisschen zu schwer. Aber gerade die schreibenden Kollegen mahnen uns TV-Journalisten ja immer wieder, Journalist zu sein und nicht Unterhalter.
Wenn Sie im Duo kommentieren und Ihren Partner wählen müssten – wen würden Sie mitnehmen: Anke Engelke, Angela Merkel oder Anne Will?
Anke Engelke. Das wäre sensationell. Die würde genau das mitbringen, was ich nur begrenzt habe: spontanen Sarkasmus und eine ganz eigene Humorebene.
52, Sportjournalistin beim ZDF, berichtet seit 2002 von Fußball-WMs und EMs. Daneben ist die Rheinländerin Expertin für Radsport, Tennis und war bei Olympischen Spielen. 2011 und 2015 war sie Live-Kommentatorin bei den WMs im Frauenfußball – schon da als erste Fußball-WM-Kommentatorin in Deutschland. Nun ist sie die erste Frau am Mikro eines Männer-EM-Spiels.
Was ist schlimmer: Verlängerung, Bildausfall beim Zuschauer oder zwei defensive Teams?
Bildausfall würde ich, glaube ich, hinkriegen. Man muss halt alles beschreiben. Verlängerung ist cool, da gibt es ja eine ganz eigene Dramaturgie. Am zähesten sind zwei Betonanrührer.
Welcher Kommentatorentyp sind Sie: fokussiert wie Nadine Angerer, irrlichternd rowdyhaft wie Thomas Müller, ein Star wie Aby Wambach oder bissig wie Luis Suarez?
Ganz klar Nadine Angerer. Aber nicht so verrückt wie sie.
Schlimmster Kommentatorensatz, für den wir Sie schimpfen dürfen, wenn er kommt?
Wenn ich sagen sollte, dass es im Waliser Strafraum lichterloh brennt, dann können Sie mich sofort politisch absetzen lassen.
Geschminkt oder ungeschminkt hinterm Mikro?
Ganz dezent.
In Sneakers oder in High Heels?
Definitiv Sneaker. Allein schon wegen meines Rückens.
Dopingtipp für die Stimme?
Ein Glas Wasser und Pfefferminzbonbons.
Wie lang wird es dauern, bis sich die Schiedsrichterinnen zu den Männern hochgepfiffen haben?
Der Schiedsrichterchef Herbert Fandel hat mir eine SMS geschickt und mir zu dem EM-Job gratuliert. Also so ganz gegen Frauen kann der nicht sein. Wie lange es noch dauert, weiß ich nicht. Es gibt halt Bedenken, ob Frauen athletisch mit dem höheren Tempo der Männer mithalten können.
Was passiert nach der Vorrunde mit Ihnen?
Verabredet sind nur die zwei Vorrundenspiele. Danach mach ich meinen üblichen Job fürs ZDF, Interviews und Hintergrundberichte. Auch ein Grund dafür ist, dass gar nicht erst die Frage aufkommen soll, ob ich mich für die Endrunde qualifiziert habe oder nicht. Ich bin damit zufrieden.
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