: „EINLIEFERUNG INS KZ“
■ „Nur“ eine Musikkritik von dpa
Am Freitag zertrümmerte ein wichtiger künstlerischer Wurf neuer Musik ganz unbemerkt endgültig die deutsche Sprache. Dabei wurde der Wurf von Dieter Schnebel in der Jesus -Christus-Kirche in Dahlem doch nururaufgeführt. Schnebel warf mit seiner Messe offenbar nach dem Gehirn der dpa-Mitarbeiterin, die, indem sie das Werk bezichtigt, es versuche eine Summe europäischer Musiktradition mit modernen Mitteln zu ziehen, selbst an der Fortsetzung der deutschen Geschichtsschreibungstradition mit sprachlichen Mitteln arbeitet: Die Dahlemer Gemeinde war mit ihrem ins Konzentrationslager eingelieferten Pfarrer Martin Niemöller ein Zentrum des kirchlichen Widerstandes gegen Hitler. Da hat Pfarrer Niemöller aber noch mal Glück gehabt, daß er, offenbar krank, noch rechtzeitig ins KZ (Krankenzentrum?) eingeliefert wurde, wo er dann in Ruhe seiner baldigen Genesung entgegensehen konnte. Und auch die Dahlemer Gemeinde mit ihrem KZ-Insassen, ihrem Betroffenen vor Ort, ward offenbar gesegnet, denn sonst hätte sie sich nie zum Zentrum des kirchlichen Widerstandes qualifizieren können.
Nun lieben wir ja alle schon lange die Wortgutkultur von dpa, die selbst Geschichte noch „unschuldig“ verlautbart und auf jedwedem Gebiet mehrheitsfähig, nicht nur sein möchte, sondern tatsächlich mehrheitsfähig ist - liefert sie doch Meinung im Abonnement plus „sauber recherchierter Informationen“. Ebenso „unschuldig“ - zumal auf unverfänglichem musikalischen Terrain - schreibt Frau Feilicke, offenbar ein durch und durch rationaler deutscher Geist, dann noch von orientalischen, irrationalen Intervallen, die offenbar doch nur den kranken Gehirnen von außereuropäischem Menschenmaterial entstammen können. Aber: Sie ist ja nur eine Musikkritikerin.
Gabriele Riedle
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