: EIN BAYER IN BERLIN
■ Klaffenböck mit Bayern-Express im BKA
EIN BAYER
IN BERLIN
Klaffenböck mit „Bayern-Express“ im BKA
Seit Achternbusch wissen wir, daß die bayerische Bevölkerung zu 60 Prozent aus Anarchisten besteht, und die wählen bekanntlich die CSU. Rudolf Klaffenböck gehört zum verbleibenden Drittel. Er spielt in dem Ein-Personen -Programm einen allgegenwärtigen Reiseleiter, der den Besuchern (Zuschauern) seiner haßgeliebten Heimat die Reize der bayerischen Gesellschaft näherbringen will. „Realsatire“ benennt er die Mischung aus Sketchen und Collagen mit dokumentarischem Hintergrund. Oftmals zitiert er nur Versatzstücke irgendwelcher offizieller Verlautbarungen, die sich selbst gründlich bloßstellen.
Mehrere Male läßt Klaffenböck es nicht mit der Ausdruckskraft des vorgetragenen Wortes bewenden. Er erweitert sein mehrteiliges Besichtigungsprogramm mit einer Diashow und dem selbstrealisierten Kurzfilm „Oberammergau“ (Besonders wertvoll) zur Multi-Media-Schau kabarettistischer Anspielungen.
Der filmische Exkurs zu dem oberbayerischen Passionsort zählt zu den Höhepunkten: Klaffenböck begeisterte als „falscher“ Jesus im stilechten Kostüm die Zuschauermassen während der Mittagspause des eintägigen Kreuzigungsspektakels. Nelken verteilend trifft er auf Prominenz und Möchtegern-VIPs. Der allmächtige Landesvater FJS strahlt zufrieden in die surrende Filmkamera. Die Genasführten werden danach vom vorher instruierten Filmteam interviewt. Emma Saubermann sieht einen der glücklichsten Tage ihres Lebens gekommen.
Kripobeamte in Trachtenzivil bereiten dem christlichen Verwirrspiel ein jähes Ende. Der falsche Jesus wird zum Verhör abgeführt. Klaffenböck - inzwischen wieder vom Filmregisseur zum Livekabarettisten mutiert - zitiert anschließend aus dem Untersuchungsprotokoll der bayerischen Köpenickiade: „Gegen 11.30 Uhr ging Jesus, gekleidet wie der Laiendarsteller, zum Haupteingang des Passionstheaters und verteilte dort weiße Nelken ... Jesus gab seinen Namen nicht an und auch den Grund nicht, warum er den Christusdarsteller nachahmt. Trotz einer einstündigen Unterredung gab Jesus seinen Namen nicht.“ Soweit aus dem amtlichen Schriftstück. Daß er bei jedem noch so kleinen Gag seine Quellen doppelt und dreifach wiederholt, schwächt die Schlagkraft der auf die Spitze getriebenen Formulierungen. Wir glauben ihm ja, daß die irrwitzigen Absonderheiten nicht erfunden, sondern ganz real und normal sind. Dem Bühnengeschehen zu folgen, bedarf es keiner ausgeprägten Sprachkenntnis für alpenländische Redeweisen. Simultandolmetscher werden nicht gebraucht; aber eben eine Neigung zum Bayerischen an sich.mosch
„Bayern Express“ von und mit Rudolf Klaffenböck, täglich um 21 Uhr im BKA (Berliner Kabarett Anstalt), Mehringdamm 34, bis zum 19. Juni.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen