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EG: Windelweiche Kompromisse

„Routine„-Gipfel in Dublin / Südafrika-Sanktionen bleiben / Kohl wollte mit Gorbatschow schachern  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

„Es war ein Routine-Gipfel. Große Entscheidungen wurden nicht getroffen.“ So das Fazit von Margaret Thatcher zum Abschluß der zweitägigen Konferenz in der irischen Hauptstadt Dublin. Wie wahr: Es war eine Konferenz der windelweichen Kompromisse und Problemvertagungen. So nahmen die zwölf Regierungschefs beispielsweise eine wohlklingende „Erklärung zur Umwelt“ einstimmig an, doch zuvor wurde sie bis zur Unbrauchbarkeit entschärft: Das Prinzip der Mehrheitsentscheidung bei Umweltfragen scheiterte an Maggie Thatcher.

Uneinig waren sich die EG-Partner auch in der Frage der Wirtschaftshilfe für die Sowjetunion. Während Bonn und Paris auf Sofortmaßnahmen drängten, forderte Thatcher zunächst eine Untersuchung der Probleme. So wird die EG-Kommission auf dem römischen Gipfel im Oktober zunächst zwei Berichte über die Wirtschaftslage in der UdSSR und über mögliche Hilfsprogramme vorlegen. Thatcher sagte, daß „die Finanzhilfe mit der Forderung nach einer wirtschaftlichen Neuordnung verknüpft“ werden müsse, „damit wir wissen, daß es etwas nützt“.

In diesem Zusammenhang erregte ein Brief Bundeskanzler Kohls an seine EG-Partner Aufsehen. Aus ihm geht hervor, daß Kohl Kredithilfen für die UdSSR mit der Zustimmung Moskaus zur Nato-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschlands verknüpft. In dem am Rande des Gipfels bekanntgewordenen Brief heißt es: „In diesem Zusammenhang möchte ich die UdSSR dazu auffordern, hinsichtlich der Fragen, die beim deutschen Einigungsprozeß auftauchen, eine konstruktive Haltung einzunehmen, und das betrifft vor allem die Verankerung eines vereinten Deutschlands in der Nato und der EG.“

In bezug auf Sanktionen gegen Südafrika einigte man sich auf eine Formulierung, die alle zufriedenstellte. So sollen die Sanktionen zwar vorerst beibehalten werden, doch sei eine Lockerung bei einem weiteren Abbau der Apartheid zu erwarten. Sowohl der irische Premierminister Charles Haughey, ein starker Befürworter der Sanktionen, als auch Thatcher, die vehement für ein Ende der Sanktionspolitik eintrat, werteten die Kompromißformel als persönlichen Sieg. Unstrittig waren dagegen die gemeinsamen Erklärungen, in denen Drogenhandel, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit sowie die israelische Siedlungspolitik verurteilt wurden. Siehe Tagesthema Seite 3

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