E10-Gipfel der Regierung: Fakten, Fakten, Tanken
Es bleibt dabei: Der umstrittene Treibstoff E 10 wird weiter eingeführt. Gegen die Verunsicherung der Autofahrer startet nun eilig eine Informations-Offensive.
BERLIN taz | Die Bundesregierung hat sich mit den Auto- und Ölkonzernen darauf geeinigt, die Autofahrer besser über den neuen Agrosprit E10 zu informieren. Das teilte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nach dem "Benzin-Gipfel" mit Vertretern der Ministerien, Unternehmen und Verbraucher am Dienstag in Berlin mit.
Der Chef des Mineralölwirtschaftsverbands, Klaus Picard, erklärte, nun würden alle Tankstellen die Listen mit den Automodellen auslegen, die E10 tanken können. Auf groß angelegte Werbemaßnahmen wie Fernsehspots oder Zeitungsanzeigen konnte sich die Runde aber nicht verständigen.
Die Ölkonzerne wollen die von der Regierung vorgeschriebene 6,25-Prozent-Quote erneuerbare Energien am Krafstoffverbrauch in den Jahren 2010 bis 2014 erreichen, indem sie Sorten mit Sprit aus Pflanzen anbieten. Das soll den Treibhausgasausstoß und die Abhängigkeit von Erdölimporten reduzieren.
Ob Ihr Auto den Agrosprit E10 verträgt, können Sie in einer
nachsehen.Etwa die Hälfte der 15.000 Tankstellen in Deutschland führen seit Anfang des Jahres die Kraftstoffsorte, die anders als bisher nicht nur maximal 5 Prozent, sondern bis zu 10 Prozent pflanzliches Ethanol enthält. Da die meisten Verbraucher aber aus Sorge um ihre Autos E10 meiden, hatten die Ölkonzerne die Umstellung weiterer Tankstellen vergangene Woche gestoppt.
Um den Konsumenten die Angst vor E10 zu nehmen, werde nun auch "allen Händlern und Werkstätten unverzüglich die Verträglichkeitsliste zur Verfügung" gestellt werden, wie es in der Abschlusserklärung des Spitzentreffens heißt. Die Autohersteller teilten zudem mit, dass die Liste rechtsverbindlich sei. Das soll das Vertrauen der Kunden erhöhen. Verbraucherschützer bezweifeln aber, dass sich bei Schäden nachweisen lasse, dass E10 schuld ist und sich so Schadenersatz einklagen lässt.
Ernährung in Entwicklungsländern gefährdet
"Die Infokampagne kann man sich schenken", sagte der Energie-Experte des Verbraucherzentrale Bundesverband, Holger Krawinkel, der Nachrichtenagentur Reuters. Man habe sich der Gipfel-Erklärung nicht angeschlossen. Eine direkte Information vom Kraftfahrzeug-Bundesamt an alle Autofahrer sei vom Verkehrsministerium für möglich gehalten worden. "Es scheiterte daran, dass keiner dort die Portokosten von 15 bis 20 Millionen Euro übernehmen wollte." Mit der nun geplanten Infokampagne werde man die Autofahrer nicht überzeugen können, ergänzte Krawinkel. "Dann wird E10 scheitern."
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verteidigte die Agrospritstrategie der Bundesregierung. Er verwies auf Katastrophen bei der Erdölförderung wie im Golf von Mexiko und politische Krisen in den Lieferländern wie Libyen. Außerdem sei nur Agrosprit zugelassen, der nachweislich 35 Prozent weniger Treibhausgase produziert als herkömmlicher Kraftstoff.
Umweltschützer kritisierten jedoch, dass Energiepflanzen etwa in Brasilien Pflanzen für Futter- und Lebensmittel auf Flächen verdrängten, für die Regenwald gerodet wird. Dabei würden große Mengen Treibhausgase freigesetzt. Wenn man diese Effekte berücksichtigt, verursacht die erwartete Steigerung des Agrospritverbrauchs laut einer Studie der Denkfabrik Institut für Europäische Umweltpolitik (IEEP) sogar um 81 bis 167 Prozent höhere Treibhausgasemissionen als fossile Kraftstoffe.
Die Herstellung von Agrokraftstoffen gefährdet laut Brot für die Welt auch die Ernährung in Entwicklungsländern. Immer mehr Agrarflächen in armen Staaten würden etwa für die Ethanolproduktion anstatt für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt, erklärte das Hilfswerk. Agrosprit sei für die gestiegenen Lebensmittelpreise mitverantwortlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“