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Dunkle braune Kreuze

■ Aufgewachsen in Bayern, unter der Knechtschaft des Kruzifixes

Niederbayern. Ein Land mit voluminösen Barockkirchen und reichlich Engeln, Heiligen und Kruzifixen – mein Heimatland. In einer kleinen Stadt namens Landau steht das Haus meiner Eltern, es wimmelt von romanischen, gotischen und barocken Kruxifixen, die einem in jedem Zimmer auflauern. In den staatlichen Schulen lernte ich aber nur glatte braune Keramikkreuze kennen – fade Ausgeburten der 70er Jahre.

Als ich sieben war, lehrte uns Schwester Wiworada unter dem braunen Kreuz das Fürchten. Das Vaterunser konnten wir längst, doch Schwester „Wiwo“, so kürzten wir den Nonnennamen ab, wollte mehr. Unter dem vehementen Klopfen ihres Rohrstocks lernten wir ergeben die Strophen des Kirchenliedes „Fest soll mein Taufbund immer steh'n“. Wenn die kleine gallige Schwester sich ärgerte, wurde sie eitrig-gelb im Gesicht und schlug mit der Faust auf's Lehrerpult. Einmal zerbrach dabei die Armbanduhr, wir hielten erschrocken den Atem an und warteten, daß unser Klassenzimmer mit einem lauten Krach auseinanderfliegen würde. Doch Gott und das dunkelbraune Tonkreuz schienen insgeheim Mitläufer von der zappeligen schwarzen Furie sein. Nichts passierte.

Das Kreuz knechtete uns in Verbund mit autoritären Lehrern, bis ich fünfzehn wurde. Dann erst wagten wir den Aufstand gegen das Morgengebet mit Blick auf das Kreuz. Schwester „Wiwo“ bin ich später wieder begegnet. Alt und gebrechlich war sie gar nicht mehr die vielgefürchtete Rächerin Gottes. Mich selbst aber hatte die Kreuz-Lastigkeit weggespült von den Ufern der Religion. 10 Jahre Exil im Atheismus folgten. Julia Seidl, heute in Berlin

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