: Dürfen JobberInnen mitreden?
■ Teilzeitbeschäftigte des Axel-Springer-Verlages wollen zur Betriebsratswahl im Mai kandidieren dürfen / Arbeitsgericht klärt, ob die JobberInnen mitbestimmen dürfen
JobberInnen müssen flexibel sein, sind meist schlecht bezahlt und haben meist nicht nur unsichere Arbeitsverhältnisse - sie haben meist auch nichts zu sagen. Wer nicht „richtig„ mitarbeitet, könne eben auch nicht „richtig„ mitbestimmen, so die häufige Argumentation der Arbeitgeber. Doch daß es in der Arbeitswelt nicht ganz so einfach ist, wird der heutige Prozeß vorm Arbeitsgericht zeigen. Auf der Anklagebank: Axel Springer Verlag AG (Konzernumsatz 1988: 2,8 Milliarden Mark, 11.600 Mitarbeiter). KlägerInnen: 20 JobberInnen aus der Abteilung Weiterverarbeitung.
Die JobberInnen, von Springer offiziell als „unständig Beschäftigte“ bezeichnet, wollen zur nächsten Betriebsratswahl Anfang Mai kandidieren. Denn vom Betriebsrat fühlen sie sich bisher nicht vertreten. Und sie wollen auch zusammen mit den 2.700 Beschäftigten des Springer- und Ullstein-Hauses die 19 KandidatInnen wählen dürfen. Doch der Wahlvorstand hat die Kandidatur untersagt. Und von den etwa 180 betroffenen JobberInnen (ein Drittel Frauen) sollen auch nur diejenigen wählen dürfen, die an den beiden Tagen der Wahl arbeiten. Die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Heidi Siebert (48) begründet die Entscheidung des Wahlvorstandes mit einem Gerichtsurteil von 1987. Der Springer-Konzern argumentierte damals, daß die JobberInnen nach Lust und Laune kommen und sich die Zeit selber einteilen könnten. Außerdem hätten sie keine Arbeitsverträge und damit wären die 180 JobberInnen keine Betriebsangehörigen. Im Unterschied dazu gibt es in der selben Abteilung 20 „Teilzeitbeschäftigte“, die als Betriebsangehörige gelten. Diese hatten damals einen Arbeitsvertrag unterschrieben, der die TeilzeitlerInnen verpflichtet, mindestens 24 Stunden im Monat zu arbeiten. Gegenleistung des Vertrages: Die 24 Stunden werden auch dann bezahlt, wenn es weniger als 24 Stunden Arbeit gibt. Und: diese JobberInnen gelten als „ständig beschäftigt“, dürfen bei Betriebsratswahlen kandidieren und uneingeschränkt wählen.
Die Anwältin der 20 Kläger, Gisela Ludewig, glaubt aber, daß dieses gar keine ernstzunehmenden Argumente sind. Denn auch die 180 JobberInnen ohne schriftlichen Arbeitsvertrag könnten sich die Arbeit nicht nach Lust und Laune einteilen. Denn wer nicht ausreichend verfügbar sei, würde irgendwann auch keine Arbeit mehr bekommen. Außerdem seien sie ständig beschäftigt. Ihre Arbeitszeit betrage häufig weit mehr als 24 Stunden im Monat. Manche würden seit 10 Jahren in der Abteilung Weiterverarbeitung arbeiten. Und ob es schriftliche Arbeitsverträge gebe, sei nicht entscheidend. Entscheidend sei, ob es überhaupt Arbeitsverträge gebe. Die könnten auch mündlicher oder faktischer Art sein.
Die Klage auf Mitbestimmung ist sicher nicht aussichtslos. Letztes Jahr entschied das Landesarbeitsgericht Köln in einem ähnlichen Fall zu Gunsten des Klägers, einem jobbenden Übersetzer in einer Sendeanstalt. Und vor zwei Jahren entschied das Landesarbeitsgericht in Frankfurt zu Gunsten einer Einlegerin in einer Druckerei.
Die Springer-JobberInnen haben vorsorglich vier KandidatInnen aufgestellt. Sie wollen sich für einen besseren Umgangston mit den Vorgesetzten, für einen verbesserten Schichtplan einsetzen und Personaleinsparungen verhindern. Die Betriebsratswahl findet am 7. und 8. Mai statt.
Dirk Wildt
Prozeß heute um 9 Uhr, Arbeitsgericht, Lützowstraße 106, Raum 518.
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