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Duchac hat sich verrechnet

■ Thüringens Chef baute auf Stasi-Leute/ Behörde kaum arbeitsfähig

Erfurt. Die Personalpolitik des Regierungsbevollmächtigten der DDR, Josef Duchac, holt den Thüringer CDU-Ministerpräsidenten Josef Duchac ein: Als Beauftragter der letzten DDR-Regierung wurde Duchac im Sommer 1990 Chef des „Rates des Bezirkes Erfurt“. Zur Gründung des Landes Thüringen setzte der CDU- Politiker auf Experten aus der Bezirksverwaltung.

Am ehemaligen Vize-Chef des Rats des Bezirks entzündet sich nun die Debatte: Peter Schulze, zuletzt Abteilungsleiter Verkehr im Thüringer Wirtschaftsministerium, mußte wegen Stasi-Vorwürfen zum 30.Juni seinen Sessel räumen. Und außer ihm noch sechs weitere Mitarbeiter von Wirtschaftsminister Hans-Jürgen Schultz (FDP). Seitdem ist die Leitung des Schlüsselressorts Verkehr für den Aufbau des Landes verwaist. „Thüringer Wirtschaftsministerium arbeitsunfähig“, meldet das Ostberliner Blatt 'Neue Zeit‘ jetzt. Sonderminister Jochen Lengemann spreche „von einem faktisch nicht mehr bestehenden Wirtschaftsministerium“, berichtet die Zeitung. Lengemann distanzierte sich von dem Artikel. Aber nicht nur die FDP-Ministerkollegen Sieckmann und Fickel sprangen dem Minister Schulz an die Seite. Auch der CDU-Landeschef Willibald Böck, der gleichzeitig auch Innenminister ist, gab sich solidarisch.

Auch wenn die Entscheidung des Wirtschaftsministers Schultz gegen seinen Fast-Namensvetter Schulze nicht auf Akteneinsicht, sondern auf mündliche Vorauskunft fußt, zeichnet sich eines schon ab: Der Fall Schulze wird vom Fall Schultz zum Fall Duchac. FDP-Landeschef Andreas Kniepert wies am Donnerstag auf die Verantwortung des Regierungschefs bei der Bildung von Aufbaustäben für die Ministerien hin — anno 1990, als Regierungs- und Landesbevollmächtigter. Mit Schulze betraute Duchac einen CDU-Nomenklaturkader der besseren Sorte mit wichtigen Aufgaben: Der langjährige Ressortchef für Nachrichtenwesen, Energie und Verkehr und Vizechef des Rates des Bezirkes Erfurt wurde von Duchac zum stellvertretenden Regierungsbevollmächtigten gemacht. Seine Erfahrungen als Wahlleiter bei der Volkskammerwahl 1990 setzte Schulze als Landeswahlleiter bei der Landtags- und Bundestagswahl fort. Schließlich betraute Duchac seinen Parteifreund mit der Auflösung der Erfurter Bezirksbehörde. Viele Diener des alten Systems wurden von einem Mann in die Warteschleife geschickt, der jetzt selbst über seine Vergangenheit stolperte.

„Es macht schon stutzig“, so FDP-Chef Kniepert, warum Schulze nicht eher enttarnt wurde. Während die CDU-Landtagsfraktion erst jüngst erklärte, die Vergangenheitsbewältigung der ehemaligen Blockpartei sei im wesentlichen beendet, scheint sie erst zu beginnen. Noch sind nicht alle Mitarbeiter der Ministerien überprüft. Weitere Enttarnungen werden folgen, schätzt Innenminister Böck. Und erst von 32 Landtagsabgeordneten sind die Gauck-Unterlagen am Donnerstag eingetroffen. 57 weitere stehen aus. Die Vergangenheit wird wohl das Thema des Thüringer Sommers. dpa

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