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„Du kannst essen und schlafen! Reicht das nicht?“

■ Flüchtlinge aus Albanien kommen in Griechenland vom Regen in die Traufe

Von den 3,3 Millionen Einwohnern Albaniens sind schätzungsweise 350.000 griechischer Abstammung. Seit etwa einem Monat sind rund 5.000 Menschen, davon knapp 800 nichtgriechischer Abstammung, aus dem Süden des Landes über die Grenze nach Griechenland geflohen. Die griechische Regierung scheint unfähig, auf die Flüchtlingswelle adäquat reagieren zu können. Sie wirft Albanien vor, die Bevölkerungsstruktur im Süden des Landes durch das systematische Schüren der Fluchtwelle vor den Wahlen am 10. Februar verändern zu wollen. Dagegen wurde auf einer Sitzung des Ministerrats in Tirana betont, daß keiner zur Auswanderung gedrängt werde. Ein Sprecher der neugegründeten Demokratischen Partei Albaniens verurteilte die Massenausreise „potentieller Wähler“.

Man erkennt sie auf den ersten Blick: übernächtigte, gerötete Augen, altmodische Kleidung, verdreckte Schuhe. Albanien-Flüchtlinge, von denen die ersten nun auch in Athen angekommen sind. Omonia-Platz, Mittwoch, um die Mittagszeit. Die Parkplätze sind von den meist jugendlichen Flüchtlingen belagert. Einige sind erst vor ein paar Stunden über die Grenze gekommen, andere sind schon seit 20 bis 30 Tagen in Griechenland. Sie umarmen sich, erzählen. Sie mußten 15 km durch den Schnee zurücklegen, einige waren über 16 Stunden unterwegs. Viele wurden halb erfroren aufgesammelt.

Die Gruppe, die wir ansprechen, ist vor zwei Tagen über die Grenze und von Ioannina mit dem Bus nach Athen gekommen. Alle waren vom Verhalten der Behörden in Athen entmutigt und enttäuscht.

„Kein Haus, keine Arbeit, kein Geld“, sagt Sao Salas in gebrochenem Griechisch.

„Wo schlaft ihr heute?“

„Hier auf der Bank, oder auf einer Baustelle“.

Arian Marcu, 20jähriger Ingenieursstudent aus Tirana, ist gegangen, wie er sagt, weil es „viel Arbeit, wenig Geld“ gab. Er will sein Studium beenden und gleichzeitig arbeiten. Er denkt überhaupt nicht daran zurückzukehren. Wenn er in Griechenland keine Arbeit findet, will er nach Italien oder Amerika.

„Glaubst du, die Demokratiebestrebungen in Albanien werden Erfolg haben?“

„Von mir aus. Aber meinetwegen auch nicht. Ich bin draußen.“

Die nächste Gruppe kam vor 30 Tagen und sie haben schon bei der Orangenernte auf dem Peloponnes gearbeitet.

„Wovon lebt ihr jetzt?“

„Wenn wir eine Arbeit haben, können wir auch essen. Sonst... auf der Straße.“

„Seid ihr zufrieden bisher?“

„Dort waren wir eh nicht zufrieden. Aber auch hier in Griechenland, so ohne Arbeit, geht's uns nicht gut.“

„Denkt ihr an eine Rückkehr?“

„Nein, selbst wenn Demokratie herrschen sollte, ist Albahien viel zu rückständig.“

In Navplion haben sie einige Tage bei der Orangenernte geholfen. Für 3,5 Drachmen das Kilo (100 Drachmen = 1 DM!!). Allerdings haben nicht alle das Geld bekommen. Einer hat eine Tonne am Tag gepflückt, also 35 Mark am Tag verdient. Gleichzeitig zeigt er uns seine Hände, die voller Risse und Blasen sind, weswegen er jetzt auch nicht weiterarbeiten kann.

In der Menge, die um die Albaner herumsteht, sie beäugt und mit ihnen diskutiert, sind auch einige, die wegen der „Geschäfte“ da sind. Stelios ist einer von ihnen. Er markiert den „Chef“, heuert Leute an und bringt sie im Lastwagen nach Navplion. Beiläufig hören wir die „Geschäftsverhandlungen“: „Wo können wir wohnen?“ „Es gibt ein Hotel, aber das ist voller Polen und Pakistanis. Wir haben daneben eine Unterkunft gebaut.“ „Wieviel Geld gibt es?“ „Laß doch jetzt das Geld, Mensch. Du kriegst zu essen und kannst umsonst schlafen. Reicht dir das nicht?“

Die jungen Flüchtlinge ziehen sich zurück, Stelios hackt nach: „O.k., 3,5 Drachmen das Kilo.“

Einige denken darüber nach. Wollen am nächsten Tag mit dem Zug nachkommen. Unter ihnen der junge Student Arian Marcu.

Etwa 100 Flüchtlinge haben sich gestern vor dem Ausländeramt versammelt. Sie wissen nicht wohin, was machen. Sie fragen die Wache am Eingang nach Arbeit und Unterkunft. Einige fragen sich zum Omonia-Platz durch. „Wo gibt es hier was zu essen.“ „Wo können wir Wasser haben?“ fragt Jarufalia Nikola aus Aghius Saranta. „Wo kann ich arbeiten. Ich bin Koch“, sagt Zamesch.

Einige können kein Griechisch, wer aber kann, bombardiert uns mit Fragen: „Warum kümmert sich jetzt keiner um uns? Wer kann uns helfen? Wer ist zuständig?“

Zamesch zeigt uns einige Geldscheine. Die Bank kann das Geld nicht umtauschen, denn „der Wechselkurs ist nicht bekannt“. Eine Frau kommt auf den Platz, Fotini Voitsanou, mit Lebensmitteln und Kleidern. „Wo ist denn der Staat, die Kirche, die Fürsorge?“ entrüstet sie sich. „Wir müssen alle helfen. Sie sind Menschen und sie brauchen unsere Hilfe!“ Doch vorerst gibt es von denen, die lautstark für die Menschenrechte in Nord-Ipirus eingetreten sind, nur gute Worte für die Flüchtlinge und wohlklingende Verlautbarungen. Aus dem Griechischen von: Anna Lazaridou

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