: Du hörst Tag für Tag die Stories
■ Ein Gespräch mit dem Bremer Autor Uli Lehnhof über das Jugendbuchschreiben
„Eine turbulente und spannende Story um Schule, Disco, Drogen und ... Liebe!“ hat er geschrieben, weil die Jugendlichen ihm das quasi vorgelebt haben. „Es geht einfach ständig darum, wer wen gut oder ätzend findet, warum wer mit wem zusammen ist und so weiter.“ Uli Lehnhof ist ein Schriftsteller, den das nicht nur nervt. Er schreibt es für andere auf.
Das Jugendbuch „Voll die Liebe“ ist vor zwei Jahren erschienen und seither immer mal wieder aufgeführt worden. Von den Rap- Tänzern Two Faces, die Uli Lehnhof oft zu seinen Lesungen mitgenommen hat. Disco und Rap gibt's auch im Buch, „denn diese Musik trifft ihren Nerv. Da wird mal aggressiv, mal verliebt getanzt. Ich mag dieses Tempo“, sagt der Autor.
Oder besser Chronist? Uli Lehnhof meint, daß er vieles für sein Buch einfach nur benutzt hat. Er hat das festgehalten, was er als Pädagoge an den Stadtteilschulen in Walle und Gröpelingen von den 13- bis 16jährigen Nachmittag für Nachmittag zu hören bekam. „Da geht's um das, was die so untereinander laufen haben. Du hörst die Stories und die Sprache.“ Beides liest sich unverblümt im Buch.
„Manche finden es deshalb oberflächlich oder ordinär. Ich würde sagen, es ist einfach realistisch.“ Lehnhof räumt ein, daß sich in den letzten zwei, drei Jahren wohl die Musikgeschmäcker geändert haben, die Themen seien aber doch die gleichen geblieben. „Es wird die Bravo gelesen und verhältnismäßig viel übers Zuhause und die Pauker geredet. Ansonsten interessiert das, was abends abläuft. Wie und wo kann ich ausflippen, wie schaffe ich mir meine Freiräume und was fang' ich mal mit meinem Leben an?“
Noch ein Alltagsthema reizte Lehnhof: Fußball. Und Gewalt. Dem Bremer Fußballfan Adrian Maleika widmete er sein zweites Buch Über Schalke fahr'n wir nach Berlin. Der 16jährige Adrian war vor elf Jahren bei Ausschreitungen nach einem Pokalspiel zwischen dem HSV und Werder Bremen im Volksparkstadion von einem Stein am Kopf getroffen worden und einen Tag später gestorben. Der Fall blieb bis heute ungeklärt. Lehnhof interessierte die Story dieses Jungen, der, wie sein Bruder sagte, nicht gewaltbereit war und da hineingeschliddert ist.
Scheinbar ohne Alternative, wie der Autor vermittelt. Rolli, der Junge im Buch, kann sich der emotionalen Bindung an seine Fanclique nicht entziehen. „Klar ist die Geschichte entmutigend. Aber so läuft es doch ab. Man überschätzt das, was es an Phantasie und Möglichkeiten für diese Gruppen gibt.“
Lehnhof glaubt auch nicht, daß es den Jugendlichen bewußt ist, in einem gewaltsamen Umfeld aufzuwachsen. „Das kann ihnen gar nicht bewußt sein, weil sie keinen Vergleich zu früher haben. Das ist für sie einfach normal.“ Silvia Plahl
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