: Druck aufs Tuch
betr.: „Die Glückliche“, taz vom 17. 11. 04
So ein Artikel war überfällig! Ich selbst trage seit 15 Jahren ein Tuch, womit ich mich bei der heutigen Stimmungslage freiwillig aggressiven Angriffen, Gespött oder zumindest abgrundtiefer Verständnislosigkeit aussetze. Meine Familie (teilweise muslimisch) findet das Tuch, mit dem ich mich ja quasi als Muslimin oute, überflüssig bis hochpeinlich. Das Klischee von der vom Mann unters Tuch gezwungenen Muslimin ist völlig veraltet – den meisten Männern ist eine allzu auffällig „vermummte“ Gattin erfahrungsgemäß eher unangenehm.
Die europäische Gesellschaft sollte zur Kenntnis nehmen, dass ihre Vorurteile schlichtweg veraltet sind. Inzwischen dürfte in dem meisten Fällen der Druck, der von der islamophoben Umgebung auf Musliminnen ausgeübt wird, nicht zum Tuch zu greifen, wesentlich größer sein als der durch fanatische Väter, Männer oder Imame. Die gutgemeinte Zwangsemanzipierung muslimischer Mädchen, in Kombination mit zunehmend islamfeindlicher Medienberichterstattung ist ein Schuss, der nach hinten los geht. Das zeichnet sich durch die vermehrte Rückbesinnung der Muslime auf ihre Religion bereits ab. Und keineswegs alle unter diesen „Neomuslimen“ sind Fanatiker und Radikale! Weder die Ent- noch die Verhüllung der Frau ist per se eine Abwertung zum Sexualobjekt – es steht und fällt mit der Freiwilligkeit und der Motivation, aus der heraus sich eine Frau auf die eine oder andere Weise kleidet!
HEIKE DE OBREGAÓN, Hannover