: Drohbriefe an Schröder
■ „Wir schneiden Dir die Nase ab“ wegen harter Kritik an türkischer Regierung
Hannover Wegen seiner scharfen Kritik an der türkischen Kurden-Politik ist Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) in die Schußlinie türkischer Bürger und Organisationen geraten. Nach Angaben von Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye vom Freitag sind zahlreiche Anrufe und Protestschreiben in der Staatskanzlei in Hannover angegangen. In anonymen Briefen werden offen Drohungen ausgesprochen. So heißt es in einem Schreiben „Wir schneiden Dir die Nase ab“.
Auslöser ist ein Interview Schröders in den ARD-„Tagesthemen“ vor einer Woche, wo er unter Berufung auf Aussagen der türkischen Ministerpräsidentin Tansu Ciller von einer offenbar drohenden „Endlösung der Kurdenfrage“ in der Türkei sprach. Dieses Interview sei von der türkischen Tageszeitung „Hürryet“ falsch wiedergegeben worden, sagte Heye.
Offenbar gehe es darum, von der tatsächlichen Lage der Kurden in der Türkei abzulenken. Dahinter stecke vermutlich Verärgerung über das Vorgehen der SPD-Länder, die einen Abschiebestopp für Kurden in die Türkei verhängt haben. Schröder habe nicht, wie das Blatt schreibt, die türkische Ministerpräsidentin mit Hitler gleichgesetzt und auch nicht die Kurden mit den Juden zur NS-Zeit verglichen, sagte Heye. Er habe sich auf Ciller bezogen, die selbst in einem Interview eine „endgültige Lösung“ des Kurdenproblems angekündigt habe.
Die Zeitung „Hürryet“ hat Telefon- und Telefax-Nummer der Staatskanzlei veröffentlicht und zu Protestreaktionen aufgefordert. Ein Porträt Schröders auf der Titelseite war überschrieben mit: „Dieser Mann ist unser Feind.“ Diese Zeitung sei nicht Gesprächspartner der Landesregierung, die natürlich Interesse daran habe, daß der Konflikt nicht weiter eskaliere, meinte Heye. Wenn wieder vernünftige Umgangsformen gewahrt würden, sei Schröder auch gegenüber den türkischen Vereinigungen in Deutschland gesprächsbereit.
Laut Staatskanzlei gingen „mehrere hundert Schreiben“ ein. Allerdings gebe es sogar ein „leichtes Übergewicht“ an zustimmenden Äußerungen zu Schröders öffentlicher Kritik an der Kurden-Politik der Türkei. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen