: Drogenfreies Land
■ Kolumbiens umstrittener Präsident Ernesto Samper faßt gute Vorsätze
Bogotá (taz) – „Bis zur letzten Minute der letzten Stunde des letzten Tages“ seiner gesetzlichen Amtszeit wird Präsident Ernesto Samper regieren. Das versprach der umstrittene Staatschef, weniger als 24 Stunden nachdem der Kongreß ihn mit 111 gegen 43 Stimmen vom Vorwurf der Verstrickung in Drogengeschäfte freigesprochen hatte. „Die Kolumbianer können jetzt ruhig schlafen, denn sie wissen, sie haben einen ehrlichen Präsidenten“, versicherte er Donnerstag abend in einer Rede an die Nation.
Die zweite Hälfte seiner Amtszeit will er in den Dienst einer „integralen Strategie“ gegen die Unterwanderung der Nation durch die Drogenmafia stellen. Ein Paket von Verfassungs- und Gesetzesreformen, das die Exekutive demnächst dem Parlament unterbreiten will, reicht von schärferen Kontrollen und Strafen für Geldwäsche über die Schaffung neuer Straftatbestände für organisiertes Verbrechen bis zur Abschaffung der bisher gepflegten Politik der freiwilligen Unterwerfung, die reumütigen Drogenhändlern niedrige Strafen garantierte. Dem Problem der Unterwanderung der Parteien durch die Drogenmafia soll mit der staatlichen Finanzierung des Wahlkampfes begegnet werden.
Das Ergebnis der Kongreßabstimmung vom Mittwoch, in der vier Monate parlamentarischer Untersuchung gipfelten, kam nicht unerwartet. Die Abgeordneten fanden keine Beweise für die Vorwürfe, daß Samper vom Eingang von rund sechs Millionen Dollar in seine Wahlkampfkasse wußte. Die regierende Liberale Partei wurde sogar von Mitgliedern der Opposition und den meisten Unabhängigen unterstützt.
Das Votum mag den Abgeordneten leichter gefallen sein, nachdem wenige Stunden vorher Juan Carlos Gaviria, der entführte Bruder des Expräsidenten und OAS- Generalsekretärs, César Gaviria, befreit worden war. Die Gruppe „Würde für Kolumbien“, die den Unternehmer am 2. April in ihre Gewalt gebracht hatte, hatte gedroht, ihre Geisel zu exekutieren, falls der Kongreß den Präsidenten reinwaschen sollte. Hinter dem Kommando, das letztes Jahr den Senator Alvaro Gomez ermordet und Sampers Anwalt Antonio Cancino in einem Attentat verletzt hatte, verbirgt sich eine Dissidentenfraktion der Guerillaorganisation ELN.
Die Befreiung Gavirias unter Einschaltung der guten Dienste Fidel Castros erregte genauso das Mißfallen der USA wie die Entscheidung des kolumbianischen Kongresses. Doch verzichtete die Regierung Clinton vorerst auf neue Sanktionen, die vor allem die Privatwirtschaft treffen würden. Die Wirtschaftshilfe ist bereits suspendiert, seit Kolumbien Anfang März wegen mangelnder Zusammenarbeit bei der Drogenbekämpfung gerügt wurde. In einer knappen Reaktion des Weißen Hauses heißt es, die USA unterstützten die Rechtsstaatlichkeit in Kolumbien und konzentrierten ihre Kooperation auf die Drogenbekämpfung. Ralf Leonhard
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