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Dramatische neue Zahlen zu Aids

Die Epidemie ist schlimmer als befürchtet und wurde in ihrer Dynamik „grob unterschätzt“. UN-Bericht: Weltweit sind 30,6 Millionen Menschen mit HIV infiziert  ■ Von Manfred Kriener

Berlin (taz) – Das Aidsvirus HIV breitet sich weltweit sehr viel schneller aus als bisher angenommen. Die Krankheit ist in ihrer Dynamik von den Epidemiologen deutlich unterschätzt worden, die Situation insgesamt weit schlimmer als befürchtet. Aktuelle Schätzungen, die auf neuem, besserem Datenmaterial beruhen, kommen zu dramatischen Ergebnissen: Danach infizieren sich gegenwärtig an jedem Tag 16.000 Menschen. Seit dem Ausbruch der Epidemie Anfang der 80er Jahre sind rund 42 Millionen Menschen mit HIV angesteckt worden. 11,2 Millionen Menschen sind bisher gestorben. Ende 1997 leben weltweit 30,6 Millionen Menschen mit dem Virus. Die meisten wissen nicht, daß sie infiziert sind. Bis zum Jahr 2000 wird die Zahl der Infizierten auf über 40 Millionen ansteigen.

Die gestern freigegebenen neuen Zahlen der UN liegen ungewöhnlich hoch über denen des Vorjahres. Die Korrekturen werden von Unaids, dem Hauptquartier im weltweiten Kampf gegen die Infektionskrankheit, hervorgehoben: Die neuen Infektionsziffern „enthüllen, daß ungefähr ein Drittel mehr Menschen mit HIV leben, als noch am Jahresende 1996 vermutet wurde“.

Die starke Zunahme hat zwei Ursachen: Erstens sind in diesem Jahr ungefähr 5,8 Millionen Menschen mit HIV infiziert worden. Dies zeigt, daß erste Hoffnungen auf einen Rückgang oder zumindest ein gleichbleibendes Niveau bei den Neuinfektionen verfrüht waren. Zweitens, so der Unaids- Bericht, „sieht es so aus, als hätten frühere Berechnungen die Übertragungsrate von HIV grob unterschätzt, vor allem im südlichen Afrika, wo sich der größte Teil der Infektionen konzentriert“.

Den alten Schätzungen von Unaids lagen einzelne Länderberichte zugrunde. Diese „nationalen“ Zahlen wurden dann auf eine Region hochgerechnet. Inzwischen zeige sich aber, so die Gender Epidemiologen, daß die Ansteckungs- und Ausbreitungsrate innerhalb eines Region von Land zu Land stärker abweicht als bisher angenommen. Nachdem dieses Jahr mehr Daten zur Verfügung standen, mußten die Schätzungen korrigiert werden. Nachträglich wurde auch die 1996er Ziffer von 3,1 Millionen Neuinfektionen korrigiert. Im vergangenen Jahr haben sich tatsächlich 5,3 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert.

Der Bericht zeigt, daß neun von zehn Infizierten in Entwicklungsländern leben. Von den 16.000 Neuinfektionen täglich sind 40 Prozent Frauen, 50 Prozent aller Neuinfizierten sind zwischen 15 und 24 Jahre alt. In Sambia sind bereits 12 Prozent der 16jährigen infiziert.

Die Zahlen für das südliche Afrika sind schlimmer als je angenommen. Mit geschätzten 20,8 Infizierten leben jetzt zwei Drittel aller Menschen mit HIV in diesem Teil der Welt. Allein dieses Jahr kamen 3,4 Millionen Neuansteckungen dazu. 7,4 Prozent aller Erwachsenen – jeder Dreizehnte – sind hier HIV-infiziert. Zum Vergleich: In Westeuropa sind es 0,3 Prozent, in Nordamerika 0,6 Prozent. Die Karibik hat nach Afrika mit 1,9 Prozent die zweithöchste Rate. Indien bleibt aufgrund der riesigen Bevölkerung das Land mit den meisten Infizierten.

Einen positiven Trend gibt es dagegen in Nordamerika, Westeuropa, Australien und Neuseeland. Durch die neuen Medikamente erkrankten deutlich weniger Infizierte an Aids. Auch das Risiko der Virusübertragung von der infizierten Mutter auf das Kind sei weitgehend unter Kontrolle. Nur noch fünfhundert Kinder haben sich in Westeuropa in diesem Jahr angesteckt.

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