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Das PortraitDoppelter Joe

■ Jörg Hillinger

Staatsanwalt Jörg Hillinger alias Joe Hill Foto: Klaus Wittmann

Als Jäger der schwäbischen Disco-Mafia, als Fahnder nach Anlagebetrügern und den Entführern von Theo Müller(-Milch) geht Jörg Hillinger durch die Presse. Doch der 47jährige ist nicht nur Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, sondern – seit über 21 Jahren – auch Filmkritiker. Filmfreunde kennen ihn freilich nur unter seinem Pseudonym „Joe Hill“.

Erst als Jörg Hillinger im Juni zum obersten Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft befördert wurde, wurde das Geheimnis seiner zweiten Identität unter anderem Namen gelüftet. Seit er mehrmals im „Lexikon des Horrorfilms“ zitiert wurde, gilt er bei Insidern als Spezialist für Horrorstreifen. Als junger Mann hatte er es noch mit ganz anderen Filmen zu tun. Damals bekam Joe Hill das, was seine Freunde auch gern gehabt hätten: Freikarten für die ersten Sexfilme. Als Kritiker nahm er an den eher harmlosen Aufklärungsstreifen immer wieder Anstoß – aufgrund seines christlichen Weltbildes, wie er sagt.

Über 10.000 Filme hat Jörg Hillinger bis heute gesehen. Einmal stand er kurz vor einer ehrenvollen Berufung in die Kommission bei den Mannheimer Filmfestspielen. Darauf mußte der schreibende Jurist allerdings aus beruflichen Gründen verzichten. „Weil ich damals als Richter am Schwurgericht München II einen wichtigen Prozeß anstehen hatte.“

Französische Filme oder die Streifen von Alfred Hitchcock haben es ihm noch immer angetan. Mit Achternbusch hingegen kommt der stämmige Staatsanwalt überhaupt nicht klar. „Weil ich den schlicht und einfach nicht verstehe.“ Als einer der ersten Kritiker hat er sich mit dem „Bewegten Mann“ befaßt. Für ihn eine geniale Umsetzung eines guten Cartoons. Heute sitzt der Biergartenfan Hillinger nicht selten, wenn andere im englischen Garten zu München eine Samstagvormittag-Joggingrunde hinlegen, zu Hause vor seinem Bildschirm und zieht sich ein oder zwei Videos rein, deren Kritiken wenig später im Filmdienst veröffentlicht werden.

Einmal verkündete er bei einer Kritikertagung: „Mein Traum ist es, einmal ein Drehbuch zu schreiben über den Mord in einer Tagungsstätte.“ Soweit wird es wohl nicht mehr kommen. Obwohl er schon als Zehnjähriger etwas Ähnliches versucht hatte. Da verfaßte Jörg Hillinger ein episches Drama, das jedoch nie zur Aufführung gelangte. Klaus Wittmann

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