: Doppelte Staatsbürgerschaft ist kein Thema
■ CDU-Finanzstaatssekretär Peter Kurth (35) zur jüngsten Neugründung, der Deutsch-Türkischen Union. Sie soll die Partei für ein neues Wählerpotential sensibilisieren
Am Samstag hat sich in der Berliner CDU eine Deutsch-Türkische Union (DTU) gegründet. Etwa 50 türkischstämmige Unternehmer, Akademiker, Angestellte und Beamte, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben oder sie anstreben, sind dem Bündnis bisher beigetreten. Außerdem können deutsche CDU-Mitglieder eintreten. Der lockere Zusammenschluß strebt langfristig den Status einer regulären CDU-Unterorganisation wie den der Jungen Union an.
taz: Will sich die CDU ein neues Image geben, indem sie sich verstärkt für die türkische Bevölkerung öffnet?
Peter Kurth: Sowohl die CDU wie die Junge Union haben bereits seit einiger Zeit Landesparteitagsdelegierte türkischer Herkunft. Insofern ist dies kein neues Image, sondern die organisatorische Umsetzung eines seit längerem bestehenden Trends.
Wird sich die CDU für die doppelte Staatsbürgerschaft stark machen?
Interessanterweise erwarten das die Türken, um die es in der DTU geht, gar nicht. Sie erwarten von denen, die mitmachen, daß sie zumindest die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben. Aber ich will nicht ausschließen, daß auf Dauer die doppelte Staatsbürgerschaft einer der wenigen Diskussionspunkte sein wird, wo man vielleicht einen Dissens hat. Aber meine Güte, in jeder vernünftigen Volkspartei wimmelt es von Dissensen. Man wird darüber sprechen. Ich glaube nicht, daß es ein Knackpunkt ist, obwohl es auch innerhalb der CDU dazu unterschiedliche Meinungen gibt.
Entdeckt die CDU die türkische Bevölkerung als Wählerpotential?
Das ist eine Überlegung. Natürlich ist jede Partei etwas kurzsichtig, wenn sie nicht sieht, daß hier auch ein Wählerpotential ist. Wir haben etwa 18.000 eingebürgerte Türken und über 30.000, die das beantragt haben. Dem dient aber weniger die DTU. Die DTU soll die Sache inhaltlich vorantreiben. Sie soll die CDU sensibilisieren für Themen der türkischen Minderheit. Die Qualität der DTU hängt nicht so sehr an den Mitgliederzahlen, sondern daran, daß ein sehr fruchtbarer Dialog entsteht. Die CDU weiß, daß die über eine halbe Million in Berlin lebenden Menschen ausländischer Herkunft für die Stadt in jeder Hinsicht besonders wichtig sind. Ich freue mich, daß meine Partei erkannt hat, daß man für einen vernünftigen Dialog einen organisatorischen Unterbau braucht.
Das Thema doppelte Staatsbürgerschaft bewegt doch aber die türkische Bevölkerung ganz entscheidend.
Das ist einer der Punkte, über die man sich verständigen muß. Aber die Diskussion ist ja, DTU hin oder her, in der CDU im Entstehen und noch nicht geklärt. Wenn wir jetzt sehen, daß sich die Türkei hinsichtlich ihrer Staatsbürgerschaft bewegt, müßte man sich die Frage stellen, ob das nicht auch für die CDU angebracht ist.
Wie kommt es, daß die DTU nicht schon vor einigen Jahren ins Leben gerufen wurde?
Weil jetzt auch auf türkischer Seite das Interesse daran massiv geäußert wird. Bisher war es das Engagement einzelner. Die Offenheit der CDU trifft mit dem Interesse von türkischer Seite zusammen.
Wo gibt es Übereinstimmung zwischen der türkischen Bevölkerung und der CDU?
Man sollte die Außenpolitik nicht unterschätzen. Aber auch bei Themen wie Innere Sicherheit, Wirtschafts,- Sozial- und Familienpolitik gibt es einen breiten Konsens.
Was kann die türkische Bevölkerung in Zukunft konkret von der DTU erwarten?
Ich erhoffe mir, daß der türkische Bevölkerungsanteil in Berlin sieht, daß seine Interessen und Anliegen ernster genommen werden, daß er auch Mittler findet, die bestimmte Themen in die Politik und Verwaltung hineintragen. Mehr, als das bisher der Fall ist.
Zum Beispiel?
Ich sehe das vor allem auf bezirklicher Ebene. Da ist sehr vieles im Zusammenhang mit Kitas und Schulfragen und Gewerbetreibenden zu klären. Da sind die Türken eine wichtige Zielgruppe geworden. Wir haben in Berlin weit über 10.000 türkische Selbständige und Unternehmer. Daß sich deren spezielle Interessen in der Politik wiederfinden, das ist eine Hoffnung, die ich mit der Arbeit der DTU verbinde. Interview: Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen