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Doppelte Flottchen: „Prinz“ gegen „Bremer“

■ Bremer Stadtillustrierte kämpfen mit allen Mitteln um lesendene und inserierende Kundschaft

Lothar Bienkowski, Chefredakteur der Bremer Stadtillustrierten „Bremer“, traute - laut Lothar Bienkowski - seinen Augen nicht: Sein jüngstes Kind hatte gerade das Licht der Kioskwelt erblickt und schon einen Doppelgänger. Direkt neben dem Augustheft des „Bremer“ schickten Zeitungshändler die Newcomer-Konkurrenz „Prinz“ mit dem Versprechen auf Kundenfang, alle Geheimnisse um die hohe Kunst des „Anmachens“ zu enthüllen. Passendes Titelbild: Schlechtrasiert dunkelhaarige Endzwanziger

Männerschönheit küßt betört verhangen blickende Anfangzwanzigjährige vierfarbig in den Nacken.

„Rein zufällig“ (Bienkowski) hatten die Blatt-Macher die gleiche Titel-Idee gehabt: Unter der fast identischen Head -Line „Bremer Anmache“ versprach der „Bremer“ Liebsgeflüstertes aus Diskotheken. Zugehöriges Titelbild: Schlechtrasiert dunkelhaarige Endzwanziger-Männerschönheit küßt betört verhangen blickende Anfangzwanzigjährige vierfarbig in den Nacken. Einzi

ger Unterschied der Titelfotos: Beide schweigen sich zwar über die jeweilige Garderobe der in Anmachpose geworfenen Objekte aus, „Prinz“ allerdings mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit, daß die Garderobiere bei den Aufnahmen ihren freien Tag nehmen konnte.

Wird im Kampf um die Gunst von Lese- und und Anzeigenkundschaft hemmungslos abgekupfert, ideengeklaut, spioneingeschleust? Blatt-Blattmacher Bienkowski hält inzwischen zwar alles für möglich, das aber höchst

einseitig: „Wenn einer das Thema „Anmache“ aus zweiter Hand hat, dann Prinz. Ich war selbst völlig perplex, als ich die neue Prinz-Nummer zum ersten Mal gesehen habe.“

Allerdings: „Das Prinz-Titelbild selbst“, räumt Bienkowski ein, „kannte ich schon.“ Das hatte bereits die Juli-Ausgabe der Bochumer Prinzen-Ausgabe geziert, die auch Bienkowski zu ihrem Leserkreis zählen darf.

Für Thomas Grizwa, ehedem selbst Blatt-Redakteur und inzwischen Prinz-Macher, ist damit zumindest ein Indiz gefunden, wer auf wessen Kosten im Bremer Stadt -Illustrierten-Dschungel überlebt. Grizwa: „Im Bochumer Prinz ging's auch um Anmache. Wir haben hier zwar eine eigene, bremenbezogene Geschichte dazu gemacht, das Leit -Thema 'Anmache‘ ist aber mit anderen Prinz-Redaktionen gemeinsam entwickelt worden.“ Daß er der eigenen Kreativität durch eingeschleuste Horchposten in den Redaktionsräumen des Bremer Blattes auf die Sprünge hilft, bestreitet Grizwa ebenso nachdrücklich wie Bienkowski auf der anderen Seite.

„Ginge gar nicht, selbst wenn wir wollten“, sagt Grizwa und verweist auf die langfristige Planung der Prinz-Themen: „Zum Thema 'Anmache‘ haben wir z.B. eine großangelegte Umfrage unter 1.067 Frauen in 10 Städten in Auftrag gegeben. Das Bremer Blatt hat zum gleichen Thema eine Reporterin einen Abend lang in Bremer Diskos geschickt.“

Tatsächlich finden sich im redaktionellen Teil des August -Prinzen fotografisch und empirisch-sozialforscherisch säuberlich zerlegte Männerkörper mit entsprechender Anmach -Prozentwertung (Jede dritte Breme

rin guckt nackten Männern zuerst auf den Schwanz, weiß Prinz, 56 Prozent auf den Hintern und ziemlich viele auch in die Augen). Das Bremer Blatt klärt über Anmachendes und Abtörnendes dagegen per Selbstversuch auf: Ohne Anspruch auf Repräsentativität trägt eine Reporterin mit kleiner Schwester und guter Freundin eine Disko-Nacht lang die plattesten und schärfsten, die dümmsten und witzigsten Sprüche „notgeiler“, „echt cooler“ und „profi-anbaggernder“ Typen zusammen.

Wer womit hofft, in der Szene groß rauszukommen, gehört üblicherweise zu den best gehütetsten Geheimnissen der feindlichen Brüder „Bremer“ und „Prinz“. Titelstorys werden nur im kleinsten Kreis erörtert. Anders als in den Anfangszeiten des Blatts hat längst nicht mehr jeder Mitmachwillige Zutritt zu Redaktionskonferenzen. Schon gar nicht bei der Planung von Titelgeschichten. Selbst für langjährige freie Mitarbeiter gilt dann die Devise: Wir müssen draußen bleiben. Ihren freien MitarbeiterInnen nehmen die Blattmacher Bienkowski und Grizwa Exklusiv-Versprechen ab: Wer fremd geht, fliegt raus. Ähnliches gilt für Fotografen: Als Bienkowski ein Foto eines altgedienten Blatt -Fotografen bei der Konkurrenz entdeckte, verschwand dessen Name postwendend aus dem Blatt-Impressum.

Trotzdem: In einem Punkt sind sich Grizwa und Bienkowski einig. Hundertprozentig dicht halten lassen sich in der Bremer Klatsch- und Tratschszene auch die intimsten Redaktionsgeheimnisse nicht. Auf die Frage „Was macht der jeweils andere im September-Heft“ antworten beide übereinstimmend: „Ich weiß es nicht, ehrlich.“

K.S.

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