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Doppelstrategie der USA in Somalia

■ Nach dem US-Hubschrauberverlust in Mogadischu Unstimmigkeiten zwischen USA und UNO / UNO setzt auf Militär, USA wollen rasche Bildung einer somalischen Regierung

Mogadischu/Washington (dpa/ wps/taz) – Das Muster erscheint bekannt. Am Samstag hatten somalische Guerillakämpfer in Mogadischu zum erstenmal einen US- Kampfhubschrauber abgeschossen, der über dem verlassenen Präsidentenpalast patrouillierte. Drei Besatzungsmitglieder wurden dabei getötet. UNO-Truppen versuchten daraufhin, zum Wrack vorzudringen, und gerieten in einen heftigen Schußwechsel, bei dem drei amerikanische und drei pakistanische Soldaten verwundet wurden. Schließlich ließ das Weiße Haus erklären, der Abschuß des Hubschraubers „unterstreicht die Notwendigkeit, in Mogadischu die Sicherheit wiederherzustellen, um eine Unterminierung der internationalen humanitären Bemühungen zu verhindern“.

Doch mittlerweile hat die UNO-Operation in Somalia 56 tote Blauhelme und Hunderte von toten Somalis erzeugt, und mit jedem neuen Zwischenfall wachsen die Zweifel an der Fortführung der in Mogadischu verfolgten Strategie. „Ohne legitimen Zweck werden wir weiter in diesen Sumpf gezogen“, sagte der Vorsitzende des Beschaffungskomitees im US-Senat, Robert Byrd. „Wir haben die ursprüngliche Mission erfüllt, die hungernde Bevölkerung Somalias zu ernähren, und sollten unsere Truppen nach Hause bringen.“ Andere erinnerten, daß der Abschuß des Hubschraubers nur vier Tage nach der Verhaftung des hochrangigen Aidid-Beraters Osman Ato durch UNO-Truppen erfolgte, und klagten über schlechte Zusammenarbeit zwischen US- und UNO-Stellen. Ato sei ein wichtiger Verbindungsmann für die Amerikaner bei ihren diskreten Kontakten mit Aidid gewesen, sagte ein US-Beamter: „Wir dachten, wir könnten mit Ato arbeiten. Mit seiner Verhaftung haben wir nichts zu tun. Die UNO hat ihn verhaften lassen. Es ist eine komplizierte Angelegenheit.“

Heute soll US-Präsident Bill Clinton vor der UNO-Vollversammlung in New York eine Grundsatzrede halten und mit UNO-Generalsekretär Butros Ghali ein Gespräch über UNO- Missionen führen. Die US-Somalia-Strategie scheint zur Zeit auf einen möglichst schnellen Abzug zu zielen. Auf US-Initiative verabschiedete der UNO-Sicherheitsrat am Mittwoch eine Resolution, die einen UN-Abzug bis März 1995 ins vorsieht und die rasche Aufstellung einer somalischen Polizei festlegt. Nach Angaben aus Washington will Clinton eine neue Nationale Versöhnungskonferenz der politischen Gruppen Somalias ankündigen, die die nationalen politischen Führer wie auch die unter UNO-Ägide gebildeten somalischen Lokalräte an einen Tisch bringen soll. Ihr Ziel soll die Bildung einer somalischen Interimsregierung sein, die dann die Organisierung von Wahlen ins Auge fassen könnte.

„Man kann jemanden, der auf dich schießt, nicht ignorieren“, faßte der UNO-Sonderbeauftragte für Somalia, Jonathan Howe, jetzt in Washington diese Strategie zusammen. Wie das mit der gegenwärtigen Eskalation in Mogadischu zusammenpaßt, sagte er nicht, und Osman Atos Verhaftung könnte die Bemühungen der USA ins Rutschen gebracht haben. Die UNO in Mogadischu jedenfalls bleibt hart: Militärsprecher David Stockwell erklärte, die Militäraktionen gegen die „Rebellen“ würden fortgesetzt. D.J.

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