Doppelagenten beim BND: Wozu Russland fähig ist
Der BND stand schon vor dem Skandal um einen Mitarbeiter, der Informationen an Russland weitergab, schlecht da. Es gilt, Gefahren besser zu erkennen.
E s ist ein Desaster für den Bundesnachrichtendienst. Ein Mann aus den eigenen Reihen reicht Geheiminformationen an Russland weiter, mitten in dessen Angriffskrieg auf die Ukraine. Der Mann ist nicht irgendwer, sondern ein Referatsleiter in der zentralen Abteilung für Technische Aufklärung, der Zugriff auf eine Vielzahl interner Dokumente hat. Und das Ganze wird dem BND erst durch einen Partnerdienst bekannt – der auf russischen Rechnern BND-Daten entdeckte.
Der Schaden für den deutschen Dienst ist immens. Er dürfte vor allem bei seinen Partnern wie der NSA oder dem GCHQ einen herben Vertrauensverlust bedeuten, die werden ihre Info-Weitergaben an die Deutschen nun sehr genau prüfen. Zudem ist nicht ausgemacht, dass es bei dem einen Fall bleibt: Zumindest eine weitere BND-Mitarbeiterin wurde durchsucht – sie gilt aber vorerst als entlastet.
Schon vorher stand der BND nicht glänzend da. Bereits vor Jahren, in der NSA-Affäre, offenbarte der Dienst eine Datensammelwut, die auch Verbündete traf und üppigst mit dem US-Dienst geteilt wurde. Dann sah er in Afghanistan die schnelle Machtübernahme der Taliban nicht kommen. Vor einem Angriff auf die Ukraine warnte er zwar, beim Ausbruch weilte Präsident Bruno Kahl aber ausgerechnet in Kiew. Verwiesen wurde auf einen von den Ukrainern erbetenen Termin. Aber das Bild war einmal mehr unglücklich.
Und nun der Verratsverdacht. Das Anwerben von Informanten auch in gegnerischen Geheimdiensten gehört zwar zum Spionagealltag. Dass dies Russland aber gerade jetzt gelingt, kommt zur Unzeit. Denn lange galt nicht nur das deutsche Kanzleramt, sondern auch der ihm unterstellte BND als russlandfreundlich. Nach der Jahrtausendwende löste dieser seine Gegenspionage gänzlich auf, fokussierte auf den Antiterrorkampf. Erst vor wenigen Jahren wurde sie wieder hochgefahren. Da hatte Russland bereits bewiesen, dass es vor nichts zurückschreckt: Angriffe auf Georgien und die Krim, Giftattacken, es folgten Hackerangriffe, Desinformation, ein Mord im Berliner Tiergarten.
Der BND hatte zuletzt vor der russischen Gewalttätigkeit gewarnt, auch davor, dass sich Putin nicht nur im Kampf gegen die Ukraine, sondern die ganze demokratische Welt sehe – die deutsche Politik ließ es lange eher verhallen.
Als zuletzt, vor acht Jahren, ein BND-Doppelagent festgenommen wurde, der Papiere an die CIA weitergab, verkündete der Dienst, er werde die Kontrollen deutlich verschärfen. Nun muss noch einmal nachgeschärft werden. Denn zumindest eines scheint jetzt allen klar: Wozu Russland auch bei der Spionage gewillt und in der Lage ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“