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■ KolumneDoof und doofer

Hier ist ein Textverarbeitungsprogramm, dies sind drei zornige Sätze, nun schreibe einen Roman! Oder auch: Mit der Punk-Attitüde in der Hand kommt man durch die Feuilletons von ganz Deutschland.

Was ja eigentich eine gute Sache ist, jedenfalls immer noch beser, als wenn wir die Macht des Wortes den Absolventen von Journalistenschulen oder den Wolf-Scheider-Adepten überließen. Dann doch lieber die, die gerade eben noch Fahrradkuriere, Krankenpfleger oder von mir aus sogar Junior-Kreativdirektoren waren. Das mit der Punk-Attitüde kann allerdings etwa lästig werden. Salinger könnte daran schuld sein. Vielleicht auch die Lektoren, die jedem einigermaßen jugendlichen Autoren einreden, er müsse den „Roman seiner Generation“ schreiben. Dabei fehlt dazu natürlich der Abstand. Ich könnte heute zum Beispiel einen wunderbaren Roman über meine Zeit als Popper in den 70er Jahren, über Hockey-Club-Partys und Vespa-Fahrten zu Bobby Reich schreiben (Hallo, Verleger! Gebote ab DM 50.000,- nimmt die taz, c/o Christian Buß entgegen!).

Aber ich schweife ab (das ist das Alter). Eigentlich wollte ich über Benjamin von Stuckrad-Barre schreiben, den ich als intelligeten und immer fröhlichen Plattenfirmen-Promoter kennengelernt habe, der dann nach eher unglücklichen Episoden beim Rolling Stone und als Produktmanager bei Motor plötzlich mit einem Roman reüssierte und auf einmal Einlaß in die Feuilleton-Tempel von Zeit und Spiegel fand. Seinen Roman habe ich nicht gelesen, hörte aber, daß offensichtlich die Gruppe Oasis darin eine große Rolle spielt. Das fand ich enttäuschend, ich hatte ihm eigentlich etwas mehr zugetraut, als diese „ebenso berühmte wie gräßliche Band“ zu verehren.

Letzteres ist ein Originalzitat von Stucki (wie ich ihn, um Zeichen zu sparen, einfach mal nennen will), gemeint ist allerdings die Gruppe U2, deren Platten zwar doof sind, aber auch nicht doofer als Oasis. Bono Vox und Noel Gallagher, das nimmt sich nichts. Ich habe jedoch das Gefühl, daß Stuckis U2-Abneigung der einzige Grund ist, warum er im Spiegel jüngst auf drei Seiten aus allen Geschützen gegen Salman Rushdies Buch Der Boden unter ihren Füßen feuerte. Das Buch mag schlecht sein (ich habe es natürlich nicht gelesen, ich lese überhaupt nicht mehr, das ist das Alter), aber das macht die Rezension nicht weniger albern, und man darf Rushdie nicht Rockismus vorwerfen, wenn man selber das Hohelied von Oasis singt.

Aber vielleicht wollte Stucki auch nur die Gelegenheit nutzen, handelsüblich ein bißchen rumzupunken. Rushdie und Bono werden's nicht weiter schlimm finden: Was stört's die stolze Eiche, wenn sich das Borstenvieh an ihr wetzt?

Detlef Diederichsen

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