■ Nachschlag: Dominik Finkeldes „Abendgruß“, gelesen auf dem Stückemarkt des Theatertreffens
Nun gute Nacht! Und schlaf recht schön!“ Georg Schepker, vormals Wächter am Todesstreifen, findet sich in der Welt nicht mehr zurecht. Von der DDR ist nur das Sandmännchen übriggeblieben, und so richtet Schepker täglich denselben Hörerwunsch ans nette RTL- Team: „Sandmann, lieber Sandmann“. Sohn Jurek hat 1990 eine Firma eröffnet, die von der Pleite bedroht ist, und Tochter Elisabeth, vor Jahren in den Westen ausgewandert, fühlt sich weder dort noch bei den fremd gewordenen Verwandten heimisch.
Dominik Finkelde, geboren 1970 in Berlin (West), ist der jüngste Autor auf dem Stückemarkt des Theatertreffens. „Abendgruß“ – benannt nach der Kindersendung des DDR-Fernsehens – hat er schon vor einigen Jahren geschrieben, jetzt arbeitet er an einem neuen Stück. Leider kann man ihm nicht wünschen, daß das Sandmann- Drama jemals aufgeführt wird. Klischees ballen sich zu scheußlichen Klumpen: Natürlich wird Schepker am Ende ausgerechnet von Skinheads zusammengeschlagen, und natürlich hat sich die Tochter zur eiskalten Karrierefrau entwickelt, die sich vergeblich nach Liebe sehnt. Keine Metapher ist Finkelde zu abgegriffen: „Regennässe auf spiegelndem Asphalt“, ja, so sieht sie aus, die Einsamkeit der Großstadt. Die gluckenhaft streitbare Mutter scheint von Hauptmann oder Fallada entlehnt und redet auch so: „Wir sind kleine Leute, und wir sterben nicht aus!“ Auch sonst sind die Dialoge oft unfreiwillig komisch, etwa wenn die Eltern über die Ausreise der Tochter erzählen – ein Ereignis, das schon Jahre zurückliegt –, einzig zur Information des Publikums. Oder wenn die Tochter ihr Lebensunglück noch einmal knapp zusammenfaßt: „Ich bin völlig wurzellos!“ Selbst der Skinhead schlägt nicht einfach zu, sondern kündigt das vorher an. Wie in einer Seifenoper wird alles, was geschieht, obendrein beredet.
Rolf Ludwig, Jutta Wachowiak und acht Schauspieler der Hochschule Ernst Busch mühten sich bei der Lesung redlich, Finkeldes Pappkameraden ein wenig Leben einzuhauchen. Nur Ludwig hatte Erfolg: Dünn, gebeugt und grau kauerte der erfahrene Proletendarsteller auf seinem Stuhl und weckte wenigstens etwas Interesse für den orientierungslosen alten Grenzwächter. Trotzdem wurden den Zuschauern rasch die Lider schwer. Der Sandmann hat ganze Arbeit geleistet. Miriam Hoffmeyer
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