: Dohnanyi: Null Bock nach 20 Jahren
■ Gestern hat überraschend der Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi seinen Rücktritt erklärt / Angeblich kein Zusammenhang mit der Hafenstraße / Die SPD–Genossen in Bonn fielen aus allen Wolken / Hafenstraßenbewohner rechnen jetzt wieder mit Ärger
Berlin (taz) - Nur zwei Tage, nachdem der Wahlsieg in Schleswig–Holstein die Sozialdemokraten bundesweit in Euphorie versetzt hatte, erfolgte gestern in Hamburg die kalte Dusche. Der Edelmann an der Elbe, Klaus von Dohnanyi, gab auf. 20 Jahre in der Politik, so begründete Dohnanyi gestern seinen Rücktritt als Bürgermeister vor der Presse, seien genug. Zur Untermauerung dieser Begründung ließ er ein Schreiben an die Bürgerschaftspräsidentin Helga Elstner verteilen, das bereits vom 20.November letzten Jahres stammt und seinen Rücktritt für den 15.März dieses Jahres ankündigt. Dohnanyi wörtlich: „Ich möchte hierauf deswegen ausdrücklich verweisen, weil gerade die aktuelle Situation geeignet ist, Spekulationen zwischen der Lage an der Hafenstraße und meinem Rücktritt zu begünstigen. Jede solche Behauptung ist jedoch nachweisbar falsch. Richtig ist vielmehr, daß die aktuelle Lage mich hat erneut prüfen lassen, ob mein Rücktritt unmittelbar nach dem 8.5. (der neuerlich besetzten und geräumten Häuser am Hafen) aus heutiger Sicht verantwortbar ist. Ich habe dies für mich bejaht.“ Den ursprünglichen Rücktrittstermin 15.März habe er mit Rück sicht auf die Wahlen in Schleswig– Holstein noch einmal verschoben. Dohnanyi kündigte an, daß er sich für kein neues Amt bewerben werde, da gerade die letzten sieben Jahre als Erster Bürgermeister in Hamburg ihn geschafft hätten. „Das ist soviel wie ein halbes Arbeitsleben.“ Gleichzeitig mit dem Ersten Bürger trat auch der Senator für Bundesangelegenheiten, Alfons Pawelczyk, von seinem Amt zurück. Auch Pawelczyk machte für seinen Schritt persönliche Gründe geltend und dementierte Spekulationen, er halte sich für die Nachfolge Dohnanyis bereit. Für den größten Teil der SPD wie auch den Koalitionspartner FDP kam der Rücktritt Dohnanyis trotz der angeblich bereits seit langem feststehenden Entscheidung völlig überraschend. Auch in Bonn fielen die Genossen aus allen Wolken. Außer Parteichef Vogel war niemand informiert. Im Namen der SPD–Führung bedauerte Anke Fuchs Dohnanyis Schritt und rief die Hamburger SPD gleichzeitig auf, die Regierungsfähigkeit auch ohne Dohnanyi sicherzustellen. Die ist auch nach Ansicht der FDP nicht gefährdet. Der Fraktionschef der Hamburger FDP, Wiegand, forderte die SPD auf, von ihrem Vorschlagsrecht für einen neuen Bürgermeister schnellstmöglich Gebrauch zu machen. Nach Angaben Dohnanyis soll sein Nachfolger am 8.Juni gewählt werden. Namen wollte er nicht nennen. In der Hansestadt wird als möglicher Nachfolger der frühere SPD–Fraktionschef Voscherau gehandelt. Er gehört eher zum rechten Flügel der Hamburger SPD. Dohnanyi ist der sechste von insgesamt acht Hamburger Bürgermeistern nach dem Krieg, der vorzeitig das Handtuch geschmissen hat. Fortsetzung Seite 2 Tagesthema Seite 3 Kommentar Seite 4
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