■ Daumenkino: Dirk Bogarde
Zu Beginn seines bislang letzten Films, „Daddy Nostalgie“ sieht man Dirk Bogarde, der heute 75 Jahre alt wird, eine ganze Weile nur im Halbdunkel: als ob Regisseur Tavernier uns mit der Rückkehr des Schauspielers nach dreizehn Jahren Kino-Abstinenz besonders auf die Folter spannen wollte. Später ist man erstaunt, daß sich Bogarde, obwohl er einen todkranken, alten Mann spielt, in all den Jahren kaum verändert hat. Seine Art, mit einer gewissen Arroganz und teuflischem Charme den Eindruck völliger Souveränität zur vermitteln, hinter der sich dann jedoch unvermittelt psychische Abgründe auftun, machte Bogarde zu einem der interessantesten Schauspieler der sechziger und siebziger Jahre. Einige seiner besten Rollen hat er auf diese Weise gespielt: den scheinbar perfekten Diener in Joseph Loseys The Servant, der zunehmend die Gewalt über seinen charakterschwachen Herrn erlangt, oder den hinter der gutbürgerlichen Maske erstarrten Oxford- Professor mit seinen komplexen privaten und beruflichen Problemen in Accident.
In den fünfziger Jahren war Bogarde Englands größter Filmstar. Besondere Popularität erlangte er in leichtgewichtigen Komödien: Als Dr. Simon Sparrow in den vier Filmen der „Doctor“- Serie wurde er zum „Matinee-Idol“ einer Generation von kreischenden Teenagern. Erst mit der Verkörperung eines sadistischen Offiziers im Seekriegsfilm „H.M.S. Defiant“ oder eines homosexuellen Anwalts in „Victim“ konnte sich Bogarde langsam vom Image des jugendlichen Herzensbrechers lösen. In den folgenden Jahren arbeitete er mit den bedeutendsten britischen Regisseuren (Losey, Schlesinger, Clayton); seine Übersiedlung nach Frankreich brachte ihn auch ins Blickfeld von Regisseuren wie Resnais oder Visconti, dessen „Tod in Venedig“ zu den Höhepunkten von Bogardes Karriere gehört. Nach Fassbinders „Despair“ zog sich Bogarde 1977 zurück. Erst für „Daddy Nostalgie“ kam er wieder: „Man kann eine Karriere doch nicht mit einem Film beschließen, der ,Despair‘ heißt!“ Lars Penning
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