: Direkt in den unkorrumpierten Frohsinn
■ Das Hamburger Noiserock-Label Fidel Bastro stellt stattliche 24 Bands auf die Bühne, um den ersten Labelsampler mit der gebotenen Monstrosität zu präsentieren
Die Brüder Bernd und Frank Kroschewski aus dem für stoische Beharrlichkeit und groben Humor bekannten Hamburger Vorort Quickborn sind Führer und Nachläufer zugleich. Diesen besonderen Charakter zwischen den Stühlen charakterisieren dabei die herausragenden kreativen Aktionen der beiden Bierfreunde. Zur Blütezeit der zweiten Punk/Hardcore-Welle 1990/91 gründeten sie ein Fanzine namens Heft, das auf besonders unästhetisierte Weise Fantum und Verweigerungshaltung thematisierte und damit ein breites Spektrum des Underground auf sich vereinte.
Weitaus weniger zeitgemäß erfolgte zwei Jahre später, als der Indie-Geist ohne Bauchschmerzen zum Karrieristen mutierte, die Gründung eines eigenen Labels. Die Geschichte dahinter ist ebenso anrührend wie bezeichnend. Getrieben von der tiefen Verehrung für die US-Noiseband Bastro fanden sich die Brüder und zwei Freunde zusammen, um David Grubbs, Sänger und Gitarrist der seit längerer Zeit nicht mehr aktiven Gruppe, einen Fan-Brief zu schreiben und ihm gleichzeitig anzubieten, alle eventuellen Nachfolgeprojekte zu veröffentlichen. Die Kassette, die einige Monate später eintraf, konfrontierte die Lärmfreunde nun mit einer ungewohnten Erfahrung: Statt gebrochenem Hardcore waren die komplexen Strukturen von Bastro in ein jazzig-ambientes Klangbild verlagert. Nichtsdestrotrotz war das Label beschlossene Sache und zollte seinem Namen Fidel Bastro den beiden großen Bezugspunkten der Gründer Respekt.
Von da an trieb das Projekt mit der gleichen Eigendynamik dahin, mit der Bernd und Frank seit Jahrzehnten jedes Heimspiel des HSV besuchten. Immer mehr Bands gravierten auf diese unkomplizierte Veröffentlichungsmöglichkeit zu, eigene Projekte wurden ins Leben gerufen, Teen Spirit wurde zelebriert. Dabei klammern sie sich gegen alle elektronischen Entwicklungen an Gitarren, nach Möglichkeit in der Geschmacksrichtung Noise-Rock, und fanden in Hash Over sogar – durch puren Zufall – einen der wenigen wirklich guten neuen Vertreter dieses Genres.
Das Trio ist auch der zentrale Act der Großveranstaltung, mit der die Kroschewskis die Erscheinung ihres mit 24 Projekten vollgestopften Labelsamplers begehen. Beides, Platte und Party, schmeckt nach lärmiger Heimat und könnte eine gemächliche Rückbesinnung der Szene einläuten, die im Kreislauf zwischen Leaders & Followers wieder eine Zäsur setzen würde. Die Brüder selbst werden zu ihrem größten Tag allerdings erst verspätet erscheinen. Denn am Abend spielt der HSV. Holger in't Veld Fr, 12. September, 20 Uhr, Fabrik
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