: Dioxin zum Nulltarif
■ Zum Sanierungskonzept der Giftdeponie Georgswerder
Der Mensch vergißt. Vor zwei Jahren wurde die Hamburger Dioxin–Küche Boehringer geschlossen. Ihre Hinterlassenschaft, der Gifthügel von Georgswerder, ist aus dem Bewußtsein verdrängt. Zwei Tage nach seinem Wahldesaster kann es sich der Hamburger Senat leisten, die Firma Boehringer gegen ein Trinkgeld aus der Verantwortung für die Sanierung der Deponie zu entlassen. Der Senat verzichtet gegen die Bereitstellung von 18 Mio. Mark durch Boehringer, BASF, Hoechst und Biesterfeld auf alle weiteren Ansprüche gegen diese Firmen. Basta! Mit diesem Vergleich stellt der Senat das Verursacherprinzip auf den Kopf. Boehringer ist Hauptschuldiger der Dioxinverseuchung dieser Deponie und hat über Jahrzehnte insgesamt die unvorstellbare Menge von 30 bis 60 Tonnen Gesamt– Dioxin auf der Hamburger Deponie abgelagert. Dafür, so versprach Dohnanyi auf dem Höhepunkt der Dioxin–Krise, werde die Firma zur Rechenschaft gezogen. Die sieht jetzt so aus, daß der Steuerzahler weit über 90 Kosten sein werden, weiß bis heute niemand. Für die Abdeckung und Reinigung der Sickerwässer sind allein 120 Mio. veranschlagt. Als weiterer Sanierungsschritt würde die Abdichtung der Deponie schätzungsweise nochmals 900 Mio. DM kosten. Gerade weil die Gesamthöhe der Folgekosten von Georgswerder noch unabsehbar ist, wird der Vergleich mit Boehringer und Co. zum Wahnwitz. Der Totalverzicht auf eine wirkliche Beteiligung an den Sanierungskosten wird besonders hübsch garniert von der Ankündigung des Senats, die Überschüsse aus den überhöhten Hausmüllgebühren zur Deckung der Georgswerder–Kosten heranzuziehen. In den Medien wurde der Hamburger Deal kaum zur Kenntnis genommen. Dort dominiert im Moment die Rhein–Katastrophe und die großmäuligen Ankündigungen von Politikern aller Länder, die Verantwortlichen für den Rhein–GAU „voll“ zur Verantwortung zu ziehen. Was von solchen Drohgebärden zu halten ist, hat uns der Hamburger Senat dankenswerter Weise vorgeführt. Reinhard Köhler, Manfred Kriener
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