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Differenzen um Selbstverständnis

■ betr.: „Eklat um amnestys Israel- Arbeit“, taz vom 22. 5. 97

Die Beendigung der Mitarbeit einiger Mitglieder der ai-Israel- Koordinationsgruppe mag bedauerlich sein, war meines Erachtens aber unvermeidlich. So schreiben Sie, einige Mitglieder seien „propalästinensisch eingestellt“ gewesen. Dies zeigt deutlich erhebliche Differenzen im Verständnis, was ai ist. Denn als reine Menschenrechtsorganisation hat sich ai nie auf die Seite eines bestimmten Volkes geschlagen und kann es auch nicht: Der Einsatz von ai gilt immer nur dem Schutz der Menschenrechte als solcher und den konkreten Opfern von Menschenrechtsverletzungen, ai wendet sich aber weder gegen bestimmte Staaten oder Regierungssysteme, noch bevorzugt ai die eine oder andere Gruppe. ai ist deshalb nie „propalästinensisch“, sondern immer nur „pro Menschenrechte“.

Zudem ist der Vorwurf der Passivität an den Vorstand sachlich unhaltbar. Denn der Vorstand ist – so wie jede Gruppe und jedes Mitglied – an die Entscheidungen der Mitgliederversammlung gebunden (wie in jedem Verein). Einen entsprechenden Abänderungsantrag an die Versammlung hat die Israel-Gruppe allerdings nicht gestellt.

Wenn Frau Malorny meint, Israel-Arbeit sei in Deutschland nicht machbar, so widerspricht das den Fakten – schließlich war ja eine Israel-Aktion geplant. Nur halten wir die „Rücksichtnahme auf die historische Schuld der Deutschen“ für richtig. Diese Rücksichtnahme aber hat allein Einfluß auf die Wahl der Mittel, unser Engagement als solches steht außer Frage.

Meine eigenen Briefe an die israelische Regierung wurden stets ausführlich beantwortet. Unser betont sachliches Vorgehen zeigt, daß sich die israelische Regierung der Legitimität unseres Protestes bewußt ist und unser Anliegen ernst nimmt. Eine Verschärfung der Gangart könnte dazu führen, daß unser Anliegen als antiisraelisch, ein emotionales oder einseitiges Engagement für eine Gruppe als „die Deutschen gegen die Juden“ wahrgenommen wird, und das ist es gerade nicht! Der Vorwurf der Einseitigkeit würde uns unserer Glaubwürdigkeit berauben und der Regierung billige Argumente gegen unsere sauber recherchierten Fakten liefern.

Unser sachliches Vorgehen entspricht demnach nicht nur dem Wunsch der ai-Mitglieder, sondern auch dem Grundsatz der Wahl des effektivsten Mittels. Und diese Effektivität sind wir den Opfern letztlich schuldig. Holger Schamberg,

ai-Bezirk Köln

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