NEU IM KINO : Diese Woche frisch
Cassandras Traum
GB 2007. Regie: Woody Allen. 108 Min.
Ein prächtig misanthropischer Abschluss von Woody Allens England-Projekt: „Cassandras Traum“ übertrifft selbst „Matchpoint“ an Niedertracht, ohne dass die Figuren selbst besonders unsympathisch gezeichnet sind. Das hält Allen nicht davon ab, sie gnadenlos in ihr eigenes Verderben rennen zu lassen. Jegliche Form moralischer Relativierung oder gar wankelmütiger Sarkasmus sind ihm fremd. Der Film ist gezeichnet von einem nihilistischen Weltbild, gegen das die neurotische Paranoia Allens früherer Arbeiten regelrecht erfrischend wirkt. „Cassandras Traum“ dreht sich nicht mehr um Fragen moralischen Handelns, vielmehr erklärt er das Töten selbst zu einem Wesenszug der Conditio humana. Das zivilisatorische Häutchen ist dünn; Mordlust kennt keine Ständeschranken.
Lenin kam nur bis Lüdenscheid
D 2008. Regie: André Schäfer. 92 Min.
Der Film erzählt von einer linken Kindheit in der BRD, die Adaption der Autobiogafie von Richard David Precht. Man sieht den Autor vor der Kamera mit Geschwistern und anderen Zeitzeugen reden. Zwischendurch gibt es Archivmaterial mit historischen Ereignissen wie Walter Scheel, der bei Wim Thoelke „Hoch auf dem gelben Wagen“ singt. Dabei ist der Film weniger Dokumentation als eine „sentimental journey“ in das untergegangene Reich von Prechts DKP-geprägten Kindheitsillusionen. Jede Kindheit sei anders, seine aber sei anders anders gewesen, rechtfertigt sich der Autor dafür aus dem Off. Trotz Einschränkungen ist „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ ein Film voll anregender Fundstellen aus der heute verdrängten Geschichte der 70er-Jahre in der BRD geworden.
CASSANDRAS TRAUM: Capitol, Delphi, International, Kulturbrauerei, Neues Off, Thalia Potsdam, Yorck. LENIN KAM NUR BIS LÜDENSCHEID: Broadway, FT Friedrichshain, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Rollberg, Thalia Potsdam