AM SCHLACHTENSEE : Diese Kerne
Ich fahre mit den Kindern in der S-Bahn zum Schlachtensee. Wir treffen E. mit seinen beiden auf der nördlichen Seite des Sees im Sonnenschein. Die großen verschwinden umgehend auf dem Hügel und lassen sich die nächsten zwei Stunden nicht mehr blicken. Hin und wieder hören wir Begeisterungsrufe, Flüche oder Anweisungen wie „Der Ast, der, nein der, ja, cool, cool.“ Die Tochter ist damit beschäftigt, halb verrottete Eicheln in einem Becher zu sammeln. M., der jüngere von E., tapert am Ufer entlang. Er hat sich in den Kopf gesetzt, den größtmöglichen herumliegenden Baumstamm zurück ins Wasser stoßen zu wollen. Wir begleiten ihn in einem Sicherungsabstand, ich behalte die Tochter im Blick, die nun angefangen hat, kleine Zweige zusammenzusuchen und sie zu einem Haufen zu schichten.
Ich rede mit E. über Allzumenschliches, und wir kommen irgendwie wortwörtlich auf den Kern zu sprechen. Und in dem Moment, als die Tochter mir ihren vollgestopften Becher zeigen will, stolpert der kleine M. über eine aus dem Boden ragende Wurzel, E. erwischt ihn, kurz bevor er mit dem Kopf im See landet, zieht ihn zu sich und ruft: diese verdammten Kerne. Wir fahren zurück. Die Tochter will wissen, was ein Kern ist, der Sohn redet begeistert von Star Wars.
Abends erkläre ich der Tochter, nachdem ich ihr Apfel und Birne aufgeschnitten habe, die Obstkerne. Da sie Pflaumen mag und nun die falsche Jahreszeit dafür ist, habe ich eine Seite im Internet aufgerufen. Der Laptop summt leise auf dem Küchentisch. Ob sie auch einen Kern hätte, fragt sie. Sie isst die Birne mit einer Gier, als würde ein Bürgerkrieg nahen. Als sie satt ist, hat ihr Pullover eine dunkle Färbung in der Form von Australien. Sie geht ins Bad und wäscht sich die Hände. Sie kommt wieder, klettert auf ihren Hochstuhl, beobachtet eine Weile den Laptop und sagt: Da ist auch ein Kern drin, ja?
BJÖRN KUHLIGK