: Diese Einsamkeit
Statt mit Burt Bacharach kommt Elvis Costello mit seinem Attractions-Keyboarder Steve Nieve ■ Von Jörg Feyer
Von Burt Bacharach zu schwärmen, gehörte in den letzten zwei, drei Jahren zum guten Ton gehobenen Pop-Diskurses. Zumal Brit-Pop-Protagonisten wie die Gallagher-Brüder jenseits von Lennon/McCartney und Ray Davies dankbar nach diesem historischen Angelhaken griffen. Was soll's, daß die Repertoire-Kenntnis vieler, die da schwärmten, kaum über „Walk On By“ und „I Say A Little Prayer“ hinausreichten und letztendlich doch alles im großen Easy-Listening-Eintopf landete.
Daß der inzwischen 70jährige Großmeister des Leichten und doch Sublimen, der einst als Musikchef für Marlene Dietrich getourt war, mit seinen Arbeiten für Dionne Warwick, Dusty Springfield etc. da nicht wirklich hineingehört, wußte Elvis Costello schon etwas länger. Bereits 1978 – der Brite wurde nach seinen furiosen Startwerken „My Aim Is True“ und „This Year's Model“ gerade als angry young man der Saison durchgereicht – verblüffte er auf Rotz und Rasanz geeichte Konzertbesucher gern mit einem Cover von Bacharachs Einsamkeits-Studie „I Just Don't Know What To Do With Myself“. Doch es sollten fast 20 Jahre vergehen, bis Elvis den Platz des alten Bacharach-Texters Hal David einnehmen durfte und auch konnte. Spätestens seit The Juliet Letters, dem klassisch inspirierten Album mit dem Brodsky Quartett, mußte man ja mit allem rechnen bei Costello, der in den 90ern zunehmend bemüht war, herkömmliche Pop-Niederungen hinter sich zu lassen, um in den Olymp des ewig Zeitlosen aufzusteigen.
Wie sich das im Kommunikationszeitalter gehört, schrieben Bacharach und Costello ihren ersten gemeinsamen Song am Telefon und per Fax: Das fabulöse „God Give Me Strength“ war dann zuerst im Soundtrack zu Allison Anders' Grace Of My Heart zu hören. Nach erfolgreicher Jungfernfahrt waren beide genügend voneinander angetan, um sich auf das Abenteuer eines ganzen Albums einzulassen – nicht per Fax natürlich. Auge in Auge brauchte es eine Weile und – bei allem Respekt füreinander – so manch' hitzige Diskussion, bis der gemeinsame Nenner für den melodramatischen Liebes-Zyklus Painted From Memory gefunden war. Die kreative Spannung der Sessions findet sich im Ergebnis 1:1 wieder, zumal in Costellos extrovertiertem Gesang, der tremoliert, als ginge es um sein Leben, dabei schwierigste Melodiekurven nimmt und Bacharachs Orchester-Arrangements an die Klippe des Schlüssigen singt.
In großer Besetzung gab das Duo nach der Veröffentlichung des Albums im vergangenen Jahr auch einige Konzerte – leider nicht in diesen Breiten. Stattdessen kommt Costello jetzt mit Steve Nieve, Keyboarder seiner Stammband The Attractions, mit der er komplett wohl nie wieder in den Ring steigen wird, nachdem das Tischtuch mit Bassist Bruce Thomas (Costello: „Ein Riesenarschloch“) zerschnitten ist. Mit Nieve hingegen ist er zuletzt auch schon durch die USA getourt.
Da werden Erinnerungen wach an ein anderes Duo: Als The Coward Brothers gastierten Costello und der Texaner T-Bone Burnett zunehmend alkoholisiert im November 1984 in der kleinen Musikhalle. Unvergessen, wie Costello gleich zweimal John Lennons „Instant Karma“ anstimmte, um dann jeweils vor dem Sprung zum Refrain abzubrechen. Auf die Nachfrage am nächsten Tag, warum er das Lied denn nicht komplett gesungen habe, entgegnete Costello, daß er eben nur die Strophen des Songs schätze.
Könnte also ein ziemlich legendärer Abend werden.
. Mi, 5. Mai, 20 Uhr, Musikhalle
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