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Archiv-Artikel

„Diese Dilettanten!“

Die RAF wollte 1977 auch den Modeschöpfer Karl Lagerfeld (u. a. Chloé) entführen. Das berichtet zumindest der „Spiegel“. Und „Bild“ erklärt, warum Lagerfeld ein „ideales Ziel“ gewesen wäre. Stimmt das denn alles? Überzeugen Sie sich selbst: das geheime RAF-Tagebuch von Karl Lagerfeld – exklusiv in der taz

1. Tag der Entführung, 20.05 Uhr

Nun sitzen die Damen und Herren Revolutionäre alle vor der „Tagesschau“, und ich sitze im Schrank. Und alles nur, weil diese durchgeknallte Pfarrerstochter sich beim Shoppen irgendwelcher COMPLÈTEMENT unmöglichen Trikotagen erwischen lässt. Dabei hätte sie es bei der Figur locker auf dem Laufsteg schaffen können – Gudrun, alle hätten Gudrun geliebt, jeder hätte gerne eine Tochter wie Gudrun gehabt. Die hat Glamour, ein bisschen Nico, ein bisschen Veruschka – und dann auch noch was in der Birne. Stattdessen hängt MADAME mit diesem PRETENTIEUSEN Baader rum. Wenn wenigstens MONSIEUR mich entführt hätte, die geile Sau, MAIS NON: Stattdessen befinde ich mich in einer SITUATION mit diesen HORRIBLEN ODEUR verbreitenden Parka-Fetischisten. Und wenn mir diese fette Hamburger Jil Sander Journalisten Eisente zwischen die Finger kommt, setzt es was.

2. Tag der Entführung, 20.02 Uhr

Puh, also ich muss schon sagen: Diese maulfaulen Leute, dieser unerträgliche ENNUI, den die verbreiten, das verstößt gegen sämtliche Menschenrechte und die Haager Landkriegsordnung. Heute hat einer von ihnen mit mir „Mensch, ärgere dich nicht“ gespielt und ständig verloren. Die Menschen haben keine CONCENTRATION, und hinterher sind sie dann enttäuscht, wenn sie verlieren. Ja nun mein Gott, wenn die nicht mal beim Brettspiel die Nerven behalten – dieser Helmut Schmidt trägt zwar grauenerregende Mützen, die sie sich in meinem Elternhaus nicht mal der Chauffeur zu tragen gewagt hätte, aber in die Knie zwingen lässt sich so jemand nicht, schon gar nicht von irgendwelchen dahergelaufenen postjuvenilen Gesichtsbaracken, für die man Botox erfinden müsste. Die hätten mal besser diesen österreichische Unterwäschen-Palmers entführen sollen. Verdient hätte er es in Anbetracht dieser Frottee-Fetzen, die er den Leuten auf die Hüften zwängt.

3. Tag der Entführung, 20.12 Uhr

Dieser Schank geht mir allmählich auf die Nerven, nicht gerade LOUIS XVI., und der Puder aus meiner Perrücke wirbelt PERMANENT durch diese Furnier-Hölle und reizt meine Schleimhäute – es ist INCROYABLE, mich immer zur „Tagesschau“-Zeit einzusperren. Wer will diese Belanglosigkeiten jeden Tag hören. Es gibt nun weiß Gott genug Menschen auf der Erde, die ihren Rolls dafür versetzen würden, um mit mir CONVERSATION zu führen. Stattdessen immer dieses Gebrabbel von Revolution und Ungleichheit – ich sage ja immer: Manchen ist gegeben und anderen eben nicht, so ist das nun mal, nicht? Aber dann so ein Geschrei darum zu machen, na ja.

NATURELLEMENT bin ich flexibel. Man gibt mir nur geröstetes Schwarzbrot und Dosengemüse, um mich zu demütigen, aber wenn das so weitergeht, bin ich bald bei Dior Größe 48/46. Diese Dilettanten. Erfinden ganz nebenbei eine prima Diät, wenn sie die vermarkten würden, hätten sie genug Geld. Der eine kauft eben Waffen, der andere Mode oder Immobilien. Solange das alles im ästhetischen Rahmen bleibt: CHACUN POIR SOI ET DIEUX POUR TOUS.

PROTOKOLLIERT VON MARTIN REICHERT

Lesen Sie Morgen: Tag vier in der Furnier-Hölle