: Dienstherren-Vertrauen
■ Dreijährige Gehaltskürzung: Lehrer hatte erklärt, Nazis hätten Zyklon B als Entlaubungsmittel verwandt
Mit einer Gehaltskürzung im gesetzlich vorgesehenen Höchstmaß hat der Erste Senat des Niedersächsischen Disziplinarhofes in Lüneburg einen 49jährigen Oberstudienrat aus Celle wegen „fahrlässiger“ Verharmlosung und Folterdarstellung nationalsozialistischer Verbrechen verurteilt. Das Gericht hob damit ein Urteil der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht Stade auf, das den Lehrer freigesprochen hatte. Der Beamte muß jetzt für drei Jahre eine Gehaltskürzung um ein Fünftel hinnehmen. Die Bezirksregierung wollte mit ihrer Berufung eine Rückstufung zum Studienrat erreichen.
Neben einer Reihe ähnlicher Vorfälle, die SchülerInnen z.T. in nichtöffentlicher Verhandlung berichten mußten, habe der Oberstudienrat Hartmut Fietz am 23. November 1982 im Anschluß an die amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ die Judenverfolgung im Dritten Reich vor der elften Klasse des Kaiserin-Auguste
Victoria-Gymnasiums in Celle behandelt - „spontan“, wie er sagte. Die Lüneburger Bezirksregierung beschuldigte den Lehrer im Disziplinarverfahren, er habe behauptet, das Gas Zyklon B sei nicht zur Vernichtung von Juden, sondern als Entlausungsmittel benutzt worden. Gaskammern habe es nur zur Entlausung von Kleidern gegeben, und in einigen Konzentrationslagern hätten die Amerikaner nachträglich Folterinstrumente eingebaut.
Ein Motiv des Beamten sei dem Gericht nicht deutlich geworden, heißt es in dem Urteilsspruch. Obwohl er mit seinem Verhalten zu einem schweren Achtungs-und Vertrauensverlust und zu einer Rufschädigung für die Beamtenschaft beigetragen und sich einer erheblichen Pflichtverletzung schuldig gemacht habe, sei das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten Fietz nicht zerstört, meinten die Richter.
dpa
(Aktenzeichen NDH A (I) 6/86
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen